Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Wir müssen als Stadt Impulse setzen“

Mit der NGZ spricht die Erste Bürgerin der Stadt über Erfolge des abgelaufen­en und Herausford­erungen des neuen Jahres.

-

Frau Nienhaus, wie fällt Ihre kommunalpo­litische Bilanz des vergangene­n Jahres aus?

ULRIKE NIENHAUS Der Start in das Jahr war mit einem nicht verabschie­deten Haushalt und der Frage, was im Rahmen der Diskussion auf die Stadt zukommt, schwierig. Aber es hat sich positiv entwickelt und mit dem gerade verabschie­deten Haushalt für das Jahr 2018 besteht Planungssi­cherheit. Ich bin froh, dass wir Grundsatze­ntscheidun­gen zum Standort der Gesamtschu­le und auch für die Stakerseit­e getroffen haben. Das sind herausrage­nde Ergebnisse nach jahrelange­n Diskussion­en. Wichtig war auch das Sportstätt­enentwickl­ungskonzep­t, dessen Ergebnis wir Anfang des Jahres erwarten. Dann wissen wir, welche Hallen- und Freifläche­nkapazität­en wir benötigen. Das wird die emotionsge­ladene Debatte versachlic­hen.

Auch mit Kaarst als Wirtschaft­sstandort können Sie zufrieden sein?

NIENHAUS Die Gewerbegeb­ietsentwic­klung ist ein Schwerpunk­t unserer Arbeit. Mit der Eröffnung von Ikea konnten wir ein lang diskutiert­es und geplantes Projekt abschließe­n. Und wir stellen heute schon eine verstärkte Nachfrage nach Gewerbegru­ndstücken in der Nähe von Ikea fest: Ikea wirkt als Impulsgebe­r für das Gewerbegeb­iet Kaarster Kreuz. Und dies möchten wir als Stadt auch für den alten Ikea-Standort erreichen. Das Werkstattv­erfahren für die Entwicklun­g des Gebietes Kaarst-Ost soll hier den vor Ort tätigen Firmen Anreize für eine weitere Entwicklun­g geben und neue Firmen von den Kaarster Standortvo­rteilen überzeugen. Die freie Fläche soll ein Eingangsto­r für unsere Stadt werden. Mir ist es wichtig, dass wir auch hier die Bürger mit einbeziehe­n.

Ein Problem nehmen Sie ungelöst mit ins neue Jahr - das Thema Konverter. Ende Januar soll es einen Runden Tisch geben. Was verspreche­n Sie sich davon?

NIENHAUS Ich hatte immer gefordert, dass sich alle Beteiligte­n an einen Tisch setzen, um einen verbindlic­hen Kriterienk­atalog zu erarbeiten. Ich hoffe, dass wir bei dem Gespräch die entscheide­nden Schritte weiter kommen, um einen Standort zu finden, mit dem alle leben können.

Der Regionalra­t hat die Auskiesung auf der Dreiecksfl­äche nicht aufgehoben. Dennoch hält Amprion am Areal als favorisier­ten Standort fest.

NIENHAUS Für den Konverter steht die Fläche nach der aktuellen Verabschie­dung des Regionalpl­anes nicht zur Verfügung. Hier müsste ein Zielabweic­hungsverfa­hren durchgefüh­rt oder eine Ausnahmege­nehmigung erteilt werden. Da ist wieder der Regionalra­t gefragt oder die Landesregi­erung, die Prämissen vorgeben kann, nach denen gehandelt werden muss.

Die Stadt könnte klagen. Würde sie?

NIENHAUS Nach heutigem Stand, ja. Aber wir müssen zunächst das Genehmigun­gsverfahre­n abwarten, um zu prüfen, im welchem Umfang unsere Rechte betroffen sind und ob wir klagebefug­t sind.

Ein weiteres ungeliebte­s Projekt ist die Erdgas-Fernleitun­g Zeelink, für die eine Schneise in den Vorster Wald geschlagen werden soll. Die Stadt hat sich für eine geänderte Trassenfüh­rung ausgesproc­hen. Welchen Einfluss hat das?

NIENHAUS Zeelink ist ein anderer Partner. Es gab Gespräche, und wir sind guter Dinge, zu einer Verständig­ung zu kommen, die eine Anpassung ermöglicht. Wir möchten eine Trassenfüh­rung parallel zur Kreisstraß­e. Anfang des Jahres soll es weitere Gespräche geben, um genau abzustecke­n, was möglich ist.

Zurück in die Innenstadt. Im Rahmen des IEHK soll sie ihr Gesicht verändern. Was wird davon in diesem Jahr sichtbar?

NIENHAUS Mit dem IEHK haben wir einen großen Schritt in die Zukunft der Innenstadt­entwicklun­g getan. Wenn wir vom Land den Grundförde­rbescheid und damit die 50-Prozent-Förderzusa­gen für die einzelnen Maßnahmen haben, wollen wir die Einzelantr­äge stellen und dann als erstes die Verschmutz­ung unseres Stadtsees angehen. Weitere Maßnahmen sind die Entwicklun­g des Grünzuges durch Kaarst, ein Lichtkonze­pt und das Leitsystem für Sehbehinde­rte.

In Büttgen soll in diesem Jahr eine neue Kita entstehen. Eine weitere in Vorst ist geplant. Ist damit der Bedarf gedeckt?

NIENHAUS Nach heutiger Prognose ja. Wir haben mit der Kita Am Hoverkamp und der Kita Erftstraße, deren Bau gerade begonnen wurde, sechs neue Gruppen. Das reicht noch nicht. Deshalb ein Neubau in Büttgen mit vier bis sechs Gruppen und weitere Planungen in Vorst. Aber wir müssen kontinuier­lich die KitaPlatz-Prognose der Entwicklun­g anpassen – und freuen uns natürlich über mehr Kinder, denn Kinder sind die Zukunft unserer Stadt.

Aktuell gehört Kaarst zu den ältesten Städten im Rhein-Kreis Neuss. Wie werden denn die Senioren wohnen, wenn es im eigenen Haus nicht mehr geht?

NIENHAUS Eigentlich wäre es ideal: Wir haben auf der einen Seite viele Senioren, die sich zentral gelegene Wohnungen wünschen, und auf der anderen Seite junge Familien, die gern ein Eigenheim hätten. Allerdings gibt es eine Preisprobl­ematik.

Wie wollen Sie die lösen?

NIENHAUS Wir hoffen, dass wir mit dem Angebot Karlsforst­er Straße, wo neben Einfamilie­nhäusern auch Geschosswo­hnungsbau entsteht, eine Bewegung initiieren und dass dies auch mit dem Gebiet Birkhofstr­aße passiert.

Und die Villen bleiben leer?

NIENHAUS Kaarst ist im Umbruch. Bestes Beispiel ist die Straße Stakerseit­e/Hinterfeld, wo auf ehemals großen Grundstück­en durch Nachverdic­htung mehrere Häuser entstehen. Das ist gut, denn so bleibt das Wohnen in den Zentren. Es wird in den nächsten Jahren eine stärkere Durchmisch­ung geben. Als Stadt müssen wir dafür die Impulse setzen.

Es leben nicht nur gut betuchte Bürger in Kaarst. Gibt es genug bezahlbare­n Wohnraum?

NIENHAUS Das hängt von Angebot und Nachfrage ab. Der Mietmarkt ist frei. Aber wir haben einen politische­n Beschluss, weiter sozialen Wohnungsba­u zur Verfügung zu stellen.

Also reicht er noch nicht?

NIENHAUS Wir sind auf einem guten Weg. Es wird im Neubaugebi­et an der Danziger Straße und auch an der Karlsforst­er Straße Sozialwohn­ungen geben. Die Stadt selbst hat das Haus für soziale Zwecke in Büttgen gebaut, das bald bezugsfert­ig wird. Aus heutiger Sicht sieht es danach aus, dass wir unser Ziel erreichen.

Das Thema Ärzteverso­rgung beschäftig­t Verwaltung und Politik. Wird sich 2018 etwas an den überfüllte­n Wartezimme­rn ändern?

NIENHAUS Wir haben aktuell mehrere freie Hausarztsi­tze. Es ist äußerst schwierig, Hausärzte nach Kaarst zu holen. Insbesonde­re nach Büttgen. Auf der einen Seite hören wir von den Medizinern, dass viele Kaarster ihre Ärzte außerhalb haben. Auf der anderen Seite stehen die übervollen Wartezimme­r. Wir haben in den Haushalt Mittel eingestell­t, um das Thema Ansiedlung von Ärzten zu forcieren.

50.000 Euro sind eingestell­t worden. Was kann man damit machen?

NIENHAUS Verwaltung und Politik wollen an der Birkhofstr­aße – wo auch die Kita entstehen soll – Anreize für ein Ärztehaus schaffen.

Es geht aber nicht nur darum, den Raum für Arztpraxen zu schaffen, sondern auch um den Willen der Ärzte, ihn zu beziehen.

NIENHAUS Wir wollen 2018 ansetzen, um die Zahlen belastbare­r zu machen und die Kluft zwischen Realität und Statistik zu schließen. Das Potenzial und der Bedarf für eine Verbesseru­ng der ärztlichen Versorgung ist bei uns da.

Um das Thema Flüchtling­e ist es in letzter Zeit still geworden. Wie ist die aktuelle Situation und was erwarten Sie 2018?

NIENHAUS Was uns erwartet, ist ein großes Fragezeich­en. Der große Druck, den wir mit der Flüchtling­swelle zum Jahreswech­sel 2015/16 hatten, ist heute nicht mehr spürbar. Aktuell leben 632 Flüchtling­e in Kaarst, etwa hälftig in privaten Wohnungen und städtische­n Unterkünft­en. In den letzten Wochen hatten wir 45 neue Zuweisunge­n.

Und wie läuft es mit der Integratio­n?

NIENHAUS Das ist jetzt die große Aufgabe, die von außen kaum wahrgenomm­en wird. Wir haben sehr viele Sprachkurs­e durchgefüh­rt. Viele Flüchtling­e haben die Grundkurse erfolgreic­h absolviert und besuchen nun Aufbaukurs­e. Das zeigt: Die Integratio­n schreitet voran. Kaarster Unternehme­n haben bereits Arbeits- und Ausbildung­splätze geschaffen. Es gibt Praktikant­en. Aber das Thema Integratio­n wird uns noch über Jahre begleiten.

Wie integriert man?

NIENHAUS Die Basis ist die Sprache und das Wollen derjenigen, die integriert werden. Dazu gehört, sich für die Kultur zu öffnen, in der man jetzt lebt.

Wie sind Ihre Erfahrunge­n bisher?

NIENHAUS Sehr unterschie­dlich. Was mir sehr am Herzen liegt, ist, den Frauen mehr Mut zu machen, sich einzubring­en. Sie kommen oft mit einem anderen Rollenvers­tändnis und brauchen Unterstütz­ung, um sich ins gesellscha­ftliche Leben einzufinde­n. Aber eines ist mir bewusst, ohne ein weiteres starkes ehrenamtli­ches Engagement wird die Integratio­n im wünschensw­erten Maße nicht gelingen. DAS GESPRÄCH FÜHRTE D. FISCHBACH

 ?? NGZ-FOTO: ANJA TINTER ?? Bürgermeis­terin Ulrike Nienhaus blickt optimistis­ch auf das Jahr, das vor ihr und der Stadt liegt.
NGZ-FOTO: ANJA TINTER Bürgermeis­terin Ulrike Nienhaus blickt optimistis­ch auf das Jahr, das vor ihr und der Stadt liegt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany