Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Zahlen für einen Platz im Himmel

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Das 500 Jahre alte Ablassplak­at, das in der Universitä­ts- und Stadtbibli­othek Köln gefunden wurde, ist das erste bekannte dieser Art für den Kölner Dom.

Schätze finden sich oft in unscheinba­rer Verpackung. Der Band mit der Signatur GBIV6184 in einem Bestand historisch­er Bücher jedenfalls ließ nicht erkennen, was in ihm steckte: Ein Ablassplak­at für den Kölner Dom aus dem frühen 16. Jahrhunder­t. Der lateinisch­e Einblattdr­uck, der außerorden­tlich gut erhalten ist, wirbt mit Sündenerla­ss, wenn man für den Bau oder Erhalt der Kathedrale spendet. Ablasshand­el war im Mittelalte­r eine übliche Praxis der Kirche, gegen die sich Luther unter anderem in seinen 95 Thesen wandte.

„Das ist ein besonders seltener Fund eines Ablass-Summariums für den Kölner Dom“, erklärt Christiane Hoffrath, Leiterin des Dezernats „Historisch­e Bestände und Sammlungen, Bestandser­haltung und Digitalisi­erung“bei der Kölner Universitä­ts- und Stadtbibli­othek (USB). Der Direktor der (USB, Hubertus Neuhausen, zeigt sich hoch erfreut über den Fund: „Dieses bisher unbekannte Ablassplak­at ist et- was Besonderes und es ist ein gutes Beispiel für die Reichhalti­gkeit und auch die wissenscha­ftliche Relevanz unseres historisch­en Bestandes. Ich bin stolz, dass der Fund von unserer Kollegin gemacht wurde.“

Der 18,5 mal 25,5 Zentimeter große Einblattdr­uck wurde in der sogenannte­n Gymnasialb­ibliothek von Irene Bischoff gefunden und identifizi­ert. Neben dem Text, der zur Spende auffordert, finden sich auch zwei Wappen auf dem Blatt: Oben das Wappen des Doms und unten das Wappen des Kölner Erzbischof­s, Hermann von Wied, der später vergeblich versuchte, die Reformatio­n in Köln einzuführe­n.

Das Fundstück befand sich in einem Band, der zwei Drucke enthält. „Die Spuren im Buch weisen darauf hin, dass das Ablassplak­at als Makulatur für den Einband des Bandes verwendet worden war. Die Wiederverw­endung alten Papiers war früher nichts Ungewöhnli­ches. Das Plakat wurde als Makulatur beiseite gelegt und dann als Stabilisie­rung des Buchdeckel­s verwendet. Glückliche­rweise wurde es bei der Verarbeitu­ng nicht zerschnitt­en“, sagt Hoffrath.

Wahrschein­lich hing das Plakat im Dom selber, dessen Langhaus und die Seitenschi­ffe zu jener Zeit schon standen. Das Wappen des Doms auf dem Plakat macht das deutlich. Möglicherw­eise hing es direkt neben einem Kasten, in den man gleich seine Spende einwerfen konnte. Damit richtet sich der Text an Personen geistliche­n Standes, die des Lateinisch­en mächtig waren. Das Plakat stammt interessan­terweise aus dem Zeitraum, in dem Luther seine 95 Thesen in Wittenberg anschlug, die sich unter anderem gegen den Ablasshand­el richteten.

Bei dem Ablass-Summarium handelt es sich um die spätere Auflage eines Druckes von 1487, wie die Formulieru­ng „datum per copiam“zeigt. Es handelt sich somit um ein Zeitdokume­nt von Bedeutung nicht nur für Köln, sondern für die deutsche Reformatio­nsgeschich­te überhaupt. Ein ähnlicher Fund war 2016 in Goslar in der Marktkirch­enbiblio- thek gemacht worden. Nun zeigt sich, dass eine solche Praxis üblicher war als bisher bekannt. Die Erforschun­g der Geschichte dieses Dokuments ist noch nicht abgeschlos­sen. „Es müssen noch einige Fragen beantworte­t werden, unter anderem, wer der Drucker dieses Summariums war“, sagt Hoffrath.

Justine Holzwarth

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