Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Das gläserne Haustier

Viele Menschen nutzen Geräte, um ihre Fitness zu messen. Nun gibt es erste Angebote für Hund und Pferd.

- VON FLORIAN RINKE

DÜSSELDORF Cristiano Estrada hat für ein Technologi­e-Unternehme­n gearbeitet, mit dessen Programm man eine Steuererkl­ärung in 20 Minuten machen kann, und an Software geschriebe­n, mit der sich Fahrräder digital verbinden lassen. Es war eine recht typische Karriere für einen Kalifornie­r, der als Entwickler im Silicon Valley arbeitet.

Aber der 33-jährige Amerikaner interessie­rt sich nicht nur für Codezeilen – sondern auch für Pferde. Während seiner Kindheit verbrachte er einige Jahre in Mexiko, wo der Umgang mit Pferden für viele zur Kultur gehört. Auch Estrada reitet seit Kindertage­n, aber genau wie alle anderen Menschen kann er nicht die Gedanken der Tiere lesen. Zwar ist er überzeugt, dass die meisten Menschen fühlen können, wenn es Tieren nicht gut geht. Jedoch wisse man selten, was genau dem Pferd fehlt oder wie schlimm der Zustand ist.

Aus dieser Überlegung wurde Cabasus. Cristiano Estrada zeigt eine App auf seinem Handy. Sie ist, in Kombinatio­n mit einem Fitnesstra­cker, der am Huf des Tieres angebracht wird, die Verbindung zum Pferd. Die Technik misst die Distanzen, die beim Ausritt zurückgele­gt wurden, sie registrier­t Belastunge­n und soll Alarm schlagen, wenn das Pferd eine gefährlich­e Kolik bekommt. So könnte man etwa nachts noch den Tierarzt verständig­en.

„Heutzutage wissen wir dank unserer Smartphone­s fast alles über uns und können uns analysiere­n und jeglichen Schritte rückverfol­gen“, sagt Estrada: „Jetzt ist es auch möglich, enger mit unseren Pferden verbunden zu sein und mehr über ihren konkreten Zustand zu erfahren, sei es hinsichtli­ch ihrer Gesundheit oder ihres Trainingsf­ortschritt­s.“

Im späten Frühjahr soll das Produkt auf den deutschen Markt gebracht werden, Ende 2018 in weiteren europäisch­en Ländern verfügbar sein. Das Potenzial ist riesig, ist Estrada überzeugt: „Es gibt 60 Millionen Pferde auf der Welt. Sobald das Produkt einsatzber­eit ist, skaliert es relativ leicht – und dann können wir es Pferdebesi­tzern und Reitern ermögliche­n, alles über ihr Pferd zu erfahren, von der Entwicklun­g der Fitness bis zum Gesundheit­szustand.“

Und theoretisc­h ließen sich Teile der Technik langfristi­g auch auf andere Tierarten übertragen: Hunde, Katzen, Kühe oder Kamele. Spätestens dann würde Cabasus jedoch einem anderen Start-up aus NRW in die Quere kommen. Denn Estrada ist nicht der Einzige, der die Gesundheit von Vierbeiner­n vermessen will.

Das versucht auch das Kölner Start-up Furryfit – nur eine Nummer kleiner, zumindest was das Tier angeht. Die Brüder Micha David Neubert und Jona Timm Neubert haben ein Fitnessarm-, präziser eher Halsband für Hunde entwickelt. Auch ihnen kam die Idee beim Sport mit den Tieren, auch sie überlegten, ob die Belastung zu hoch sei und standen vor dem gleichen Problem: „Wir kennen unsere Hunde, aber sie können nicht mit uns sprechen“, sagt Micha David Neubert.

Vor zwei Jahren starteten sie daher mit der Entwicklun­g ihres Fitnesshal­sbands und mieteten sich dazu genau wie Estrada in einem Co-Working-Space ein – nur rheinaufwä­rts, in Köln. Mit der App sollen Hundebesit­zer die Gesundheit und Aktivität ihres Hundes überprüfen können – vom Kalorienve­rbrauch bis zur Schlafanal­yse. Die Daten werden dazu auf einer kleinen Pfote mit Sensoren gespeicher­t, die die Tiere am Hals tragen müssen. Hilfe bekamen sie bei der Entwicklun­g unter anderem von ihrem Stiefvater und ihrem Bruder – zwei Tierärzten.

Um ihr Projekt zu finanziere­n, starteten sie einen Aufruf bei der Crowdfundi­ng-Plattform Startnext. 15.000 Euro wollten sie bekommen, das hat geklappt. Rund 200 Vorbestell­ungen gab es, weitere locken die Gründer mit einem Gutschein-Code auf ihrer Internetse­ite. Nur die eigentlich geplante Auslieferu­ng verzögert sich etwas, ist nun aber für das erste Quartal geplant.

Es geht um einen Milliarden­markt, weshalb zuletzt auch der Mobilfunka­nbieter Vodafone eine Lösung vorstellte, mit der sich der Standort von Hunden ermitteln lässt. Für ihre Tiere geben die Deutschen ein Vermögen aus: Der Umsatz der Pferdewirt- schaft, heißt es auf der Internetse­ite der Deutschen Reiterlich­en Vereinigun­g, lag 2016 bei rund 6,7 Milliarden Euro – knapp zwei Drittel davon wurden im Einzelhand­el und für Dienstleis­tungen ausgegeben. Für Hund, Katze und Co. gaben die Deutschen 2016 laut dem Industriev­erband Heimtierbe­darf rund 4,7 Milliarden Euro aus.

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