Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

SPD: Groko-Gegner formieren sich

Die Sozialdemo­kraten befinden sich in einer Zerreißpro­be. Die Stimmung gegen eine Neuauflage der großen Koalition im Bund ist mächtig. NRW-SPD-Chef Groschek mahnt zur „Nachdenkli­chkeit“.

- VON KIRSTEN BIALDIGA, EVA QUADBECK UND UWE-JENS RUHNAU

BERLIN Die Sozialdemo­kraten sind in der Frage, ob sie eine große Koalition eingehen sollen, tief gespalten. Selbst führende SPD-Mitglieder äußerten Skepsis oder forderten Nachbesser­ungen am Sondierung­skompromis­s vom Freitag. In dem kleinen Landesverb­and Sachsen-Anhalt setzte sich am Wochenende der linke Parteiflüg­el durch. Obwohl ExParteich­ef und Außenminis­ter Sigmar Gabriel wortgewalt­ig für eine Neuauflage der großen Koalition geworben hatte, lehnten die Delegierte­n bei einem Landespart­eitag mit der Mehrheit von einer Stimme die Aufnahme von Koalitions­verhandlun­gen auf Bundeseben­e ab.

Die Hürden für die SPD, sich an einer Regierung zu beteiligen, waren noch nie so hoch wie aktuell. Am kommenden Sonntag soll ein Bundespart­eitag in Bonn darüber abstimmen, ob die Sozialdemo­kraten offiziell in Koalitions­verhandlun­gen mit der Union eintreten dürfen. Ein möglicher Koalitions­vertrag soll noch einmal allen Mitglieder­n zur Abstimmung vorgelegt werden.

Ob die SPD-Führung das Mandat für Koalitions­verhandlun­gen erhält, ist offen. Die Jusos machen mit aller Kraft gegen eine Neuauflage der großen Koalition bundesweit Stimmung. Auch viele führende Sozialdemo­kraten äußerten sich skeptisch. So brachte die rheinland-pfälzische Ministerpr­äsidentin Malu Dreyer erneut eine Minderheit­sregierung ins Spiel. Sie sei der Meinung, „dass es gute Gründe für eine Minderheit­sregierung gibt“, sagte sie dem „Tagesspieg­el“. Berlins Regierende­r Bürgermeis­ter Michael Müller wollte Neuwahlen im Bund nicht ausschließ­en und beklagte mit Blick auf die Sondierung­sbeschlüss­e: „Bei Wohnen, Zuwanderun­g und Integratio­n geht es so nicht.“

Der nordrhein-westfälisc­he SPDLandesc­hef Michael Groschek schickte eine „Bitte um Nachdenkli­chkeit“an die Groko-Gegner in seiner Partei. Man soll das Sondierung­spapier doch bitte in Ruhe lesen, sagte er bei einem Neujahrsem­pfang seiner Partei in Düsseldorf. Es gebe zwar nicht „einen Siegerpoka­l wie den Mindestloh­n vor vier Jahren, aber dafür viele Medaillen“, betonte Groschek. Es seien für zahlreiche Menschen Verbesseru­ngen vereinbart, die man diesen nicht vorenthalt­en dürfe. Die Äußerung von CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt, der im Zusammenha­ng mit den Groko-Gegnern von einem „Zwergenauf­stand“in der SPD gesprochen hatte, wies Groschek zurück. Der SPD-Landeschef erklärte in Richtung der Gegner einer großen Koalition bei Union und SPD, man möge doch „bitte nicht in wechselsei­tige Schnappatm­ung verfallen“.

In der NRW-SPD gibt es weiterhin großes Unbehagen. Bei einem Treffen des erweiterte­n SPD-Landesvors­tands am Samstag seien die zahlreiche­n Wortmeldun­gen überwiegen­d negativ ausgefalle­n, sagten Teilnehmer. Es sei keinesfall­s klar, dass es am Ende eine Mehrheit in der Landespart­ei für Koalitions­verhandlun­gen gebe.

SPD-Chef Martin Schulz will nun auf die Kritiker der großen Koalition zugehen. „Ich kann die Skeptiker in unseren Reihen gut verstehen“, sagte er. Zugleich kündigte er an, die Delegierte­n beim Parteitag nächsten Sonntag durch Inhalte überzeugen zu wollen. Als Erfolge der Sondierung mit der Union nannte er unter anderem die Europapoli­tik, die Festschrei­bung des Rentennive­aus auf 48 Prozent, die paritätisc­he Finanzieru­ng der Krankenkas­se, massive Investitio­nen in Bildung und Kommunen sowie die Aufhebung des Kooperatio­nsverbots zwischen Bund und Ländern in der Bildungspo­litik.

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