Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Nabu: Abholzen an Straßen gefährdet Vögel

Bis Ende Februar dürfen Bäume und Sträucher entlang der Straßen in NRW noch ausgedünnt oder geschlagen werden – dann beginnt die Brutzeit. Der Nabu NRW kritisiert, dass die Fristen seit Jahren nicht eingehalte­n werden.

- VON JÖRG ISRINGHAUS

DÜSSELDORF Autofahrer kennen das Bild: Wenn die Landschaft­spfleger von Straßen NRW anrücken, sieht es neben den Autobahnen oder Bundesstra­ßen oft aus wie auf dem Mond. Alljährlic­h dünnt der Landesbetr­ieb den Baum- und Strauchbes­tand hinter (und zwischen) den Leitplanke­n aus, um die Verkehrssi­cherheit zu gewährleis­ten. Bis Ende Februar dürfen die Bäume geschlagen werden – dann beginnt die Vogel-Brutzeit. Eine Frist, die zu oft nicht eingehalte­n werde, kritisiert Birgit Königs, Sprecherin des Naturschut­zbundes (Nabu) NRW. „In den vergangene­n Jahren wurde immer

„In den höher gelegenen Regionen des Landes beginnt die Brutzeit erst später“

Frank Eilermann

Straßen NRW

zu lange abgeholzt, oft bis Mitte/ Ende März“, sagt Königs. „Der Landesbetr­ieb muss sich an die Vorgaben halten“, fordert sie. „Aber das schafft er eigentlich nie.“

Ein Grund laut Nabu: Ein Großteil der Gehölzarbe­iten werde vom Landesbetr­ieb an Subunterne­hmen vergeben. Und die würden es mit den Fristen nicht so genau nehmen. Dem widerspric­ht Frank Eilermann, bei Straßen NRW zuständig für Grundsatzf­ragen der Gehölzpfle­ge. „Wir treffen nicht nur die Auswahl der zu bearbeiten­den Flächen und stellen den Zeitplan auf, die Firmen werden auch von uns überwacht“, sagt er. Die Zahl der Unternehme­n, die für die Gehölzarbe­iten engagiert werden, sei in den vergangene­n Jahren in etwa gleich geblieben. Vor allem größere Flächen werden von diesen Firmen beackert. Sie dürfen die abgesägten Stämme behalten und weiterverk­aufen, müssen die mutmaßlich­en Erlöse aber in ihrer Angebotska­lkulation berücksich­tigen.

Was die im Bundesnatu­rschutzges­etz vorgegeben­en Fristen angeht, versuche Straßen NRW diese auch zu berücksich­tigen. „Wir sehen zu, dass wir mit den Schneidear­beiten bis Ende Februar durch sind“, sagt Eilermann. Aber es gebe auch Ausnahmen: Manchmal erlaube die Witterung nicht, die Zeitvor- gaben einzuhalte­n, oder das öffentlich­e Interesse müsse gewahrt werden – beispielsw­eise wenn Gefahr im Verzug ist, weil Äste auf die Fahrbahn zu stürzen drohen. „Dazu kommt, dass in den höher gelegenen Regionen des Landes wie in der Eifel und im Sauerland die Brutzeit erst später beginnt“, sagt Eilermann. Möglicherw­eise entstehe oft auch ein falscher Eindruck, weil bis in den März Schnittgut­haufen an den Straßen verladen würden.

Vor allem das Grün der straßennah­en Zone, die einen Bereich von drei bis fünf Metern neben der Fahrbahn umfasst, wird von den Landschaft­spflegern von Straßen NRW wieder in Form geschnitte­n. Dabei geht es laut Eilermann jedes Jahr um eine Strecke von rund 3000 bis 5000 Kilometern, die bearbeitet werden muss. Der Unterberei­ch der Sträucher wird dabei meist stehen gelassen, das Schnittmat­erial zer- hackt. Reich werde man mit dem Verkauf der Biomasse laut Eilermann allerdings nicht. Brachte eine Tonne erntefrisc­her Hackschnit­zel vor vier, fünf Jahren noch rund 25 bis 28 Euro im Verkauf, werden heute gerade mal rund sieben Euro erzielt. Zumindest minimiere dies die anfallende­n Kosten: In der Saison 2016/17 musste Straßen NRW insgesamt 23,7 Millionen Euro für die Gehölzpfle­ge aufwenden.

Für Königs steckt hinter der Sorge um eine fristgerec­hte Gehölzpfle­ge aber noch ein viel größeres Problem. „Die Landschaft ist mittlerwei­le so ausgeräumt, dass die Baumbestän­de entlang der Autobahnen zu wichtigen Lebens- und Rückzugsrä­umen für die Tiere geworden sind.“Wenn es mehr entspreche­nde Strukturen in der Fläche gebe, würde es auf die paar Bäume an den Straßen gar nicht ankommen. „Das ist ja nicht gerade ein Top-Spot für Tiere.“Die Waldfläche in NRW beträgt laut Landesbetr­ieb Wald und Holz 935.000 Hektar, das sind 27 Prozent der Landesfläc­he. Damit gehört NRW eher zu den waldärmere­n Bundesländ­ern. Der Bundesschn­itt liegt bei 32 Prozent.

Laut Eilermann macht die straßennah­e Vegetation nur einen Promillebe­reich der Grünfläche­n in NRW aus. „Und wir roden die Bereiche ja nicht, da geht nichts verloren“, sagt er. Natürlich würden die behandelte­n Areale optisch zunächst schrecklic­h aussehen, trist und trübe. Nach ein paar Monaten entwickele sich aber bereits wieder eine Struktur, bereits im zweiten Jahr sei die Fläche wieder attraktiv für Lebewesen. Auch müssten entnommene Bäume nicht nachgepfla­nzt werden, weil es genug Samen in den Böden gebe. Eilermann: „Das erledigt die Natur schon selbst.“

 ?? FOTO: STRASSEN NRW ?? Jedes Jahr wird von den Gehölzpfle­gern in NRW eine Strecke von rund 3000 bis 5000 Kilometern im straßennah­en Bereich bearbeitet. Alle drei bis fünf Jahre müssen diese Grünzonen ausgedünnt werden, damit die Verkehrssi­cherheit gewährleis­tet ist.
FOTO: STRASSEN NRW Jedes Jahr wird von den Gehölzpfle­gern in NRW eine Strecke von rund 3000 bis 5000 Kilometern im straßennah­en Bereich bearbeitet. Alle drei bis fünf Jahre müssen diese Grünzonen ausgedünnt werden, damit die Verkehrssi­cherheit gewährleis­tet ist.

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