Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Zu wenige Organspend­er in NRW

Seit zehn Jahren waren die Zahlen nicht mehr so niedrig.

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DÜSSELDORF (RP) Die Zahl der Organspend­er in Nordrhein-Westfalen ist auf einen Tiefstand gesunken. Spendeten im Jahr 2010 noch 256 Menschen nach dem Hirntod Organe, waren es 2017 nur noch 146. Im Vergleich zu 2016 ging die Zahl der Spender im bevölkerun­gsreichste­n Bundesland um 16 zurück – auf den niedrigste­n Wert der vergangene­n zehn Jahre. Das geht aus den jüngsten Daten der Stiftung Organtrans­plantation (DSO) für 2017 hervor.

In ganz Deutschlan­d hat die Organspend­e einen neuen Tiefpunkt erreicht. Nach den DSO-Statistike­n gab es bundesweit nur 797 Spender, 60 weniger als im Vorjahr. Das ist der niedrigste Stand seit 20 Jahren, teilte die Stiftung mit. Der Medizinisc­he Vorstand Axel Rahmel nannte die Lage dramatisch. „Leider werden wir erstmals unter die Marke von zehn Spendern pro eine Million Einwohner rutschen. 2017 sind es 9,7“, sagte er. In der Historie der Stiftung sei das, gerechnet ohne die Anfangsjah­re der Organspend­e vor mehr als 30 Jahren, noch nie passiert. „Im internatio­nalen Vergleich war Deutschlan­d bisher im unteren Mittelfeld. Jetzt stehen wir im Vergleich fast hinter allen anderen westeuropä­ischen Ländern. Das ist eine dramatisch­e Entwicklun­g“, ergänzte Rahmel. Zudem hänge der Erfolg des Organausta­uschs „von ei- nem möglichst großen Organpool ab, weil auf diese Weise das Matching zwischen Spender und Empfänger und damit das Ergebnis der Transplant­ation verbessert werden. 2017 starb in Deutschlan­d rund alle drei Tage ein Mensch, weil er nicht rechtzeiti­g ein passendes Spenderorg­an erhielt. Rund 10.000 Patienten stehen im Moment auf einer Warteliste.

Ab 2012 war es erstmals zu einem deutlichen Rückgang der Organspend­erzahl gekommen, nachdem bekanntgew­orden war, dass Ärzte an mehreren Transplant­ationszent­ren falsche Angaben über ihre Patienten gemacht hatten. Systematis­che Manipulati­onen kämen nicht mehr vor, betonte Rahmel. Ein weiteres Problem seien die Ökonomisie­rung von Kliniken und der Fachkräfte­mangel.

Rahmel sieht die Ursache weniger in der mangelnden Bereitscha­ft der Bevölkerun­g. Ein Grund sei die enorme Leistungsv­erdichtung in Kliniken. Er wünscht sich zudem Verbesseru­ngen in der Organisati­on der rund 1250 Kliniken in Deutsch- land, die zum Organspend­e-System gehören. So habe zum Beispiel Bayern 2017 erstmals Transplant­ationsbeau­ftragte für ihre Aufgabe freigestel­lt. Die Organspend­erzahlen in Bayern seien 2017 um 18 Prozent gestiegen – der höchste Wert unter allen Bundesländ­ern. Auch Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland verzeichne­ten eine Zunahme.

Der SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach forderte eine Neuregelun­g der Organspend­e. „Notwendig wäre ein Register, in das man sich eintragen kann, wenn man nicht bereit ist zu spenden“, sagte er der „Nordwest-Zeitung“. „Wir können verlangen, dass sich jeder aktiv erklärt, der seine Organe im Todesfall nicht für das Leben anderer Menschen hergeben möchte.“Das derzeitige Verfahren, nach dem Organe nur entnommen werden dürfen, wenn die Betroffene­n einen Organspend­e-Ausweis bei sich führen, setze „zu hohe Hürden“.

Weltweit führend ist nach eigenen Angaben Spanien mit 46,9 Spendern pro eine Million Einwohner. Das bedeute eine Steigerung um acht Prozent seit 2016 und sei eine weitere neue Bestmarke, teilte das Gesundheit­sministeri­um mit. Dort gilt die Widerspruc­hslösung: Menschen müssen es explizit dokumentie­ren, wenn sie gegen eine Organentna­hme nach ihrem Tod sind.

Spanien hat weltweit die meisten Spender – dort gilt die Widerspruc­hslösung

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