Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Der Kampf gegen das Kalifat geht weiter

- VON GREGOR MAYNTZ

Im Kampf gegen den IS beteiligt sich die Bundeswehr mit Luftbetank­ung und Aufklärung. Diese Mission geht ihrem Ende entgegen, aber die Verteidigu­ngsministe­rin baut die deutsche Präsenz im Nahen Osten aus.

AMMAN Es ist eine Drei-SterneNaho­stpolitik, die Deutschlan­ds Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) am vergangene­n Wochenende in der jordanisch­en Hauptstadt Amman in Szene setzt. Drei PS-strotzende Lkw stehen auf dem Militärflu­ghafen, alle geziert mit dem Mercedes-Stern. Der weiße Sprinter in der Mitte soll die Grenzsiche­rung schneller, die zwei Zerdos-Kraftprotz­e mit zwei und drei Achsen sollen selbst unwegsame Gegenden für sie erreichbar machen. 80 Prozent Steigung schaffen die Fahrzeuge. Sie und zwei kleine Schulflugz­euge sollen signalisie­ren, dass sich Deutschlan­d stärker als je zuvor bei der Stabilisie­rung des Nahen Ostens engagiert. Und zwar „auf Dauer“, betont von der Leyen.

Die symbolisch­e Schlüsselü­bergabe für insgesamt 166 Fahrzeuge steht für Hilfen im Umfang von mehr als einer Milliarde Euro, mit denen Berlin seit 2016 in Amman Flagge zeigt. Jordanien sei die „Stimme der Vernunft und des Ausgleichs“in einer instabilen Region, sagt die Ministerin. Und sie lobt, wie vorbildlic­h Jordanien mit der Aufnahme von Millionen Flüchtling­en handle. Was sie nicht sagt: So lange die Menschen Perspektiv­en in der Region haben, machen sie sich nicht auf den Weg nach Deutschlan­d. „Wir wissen, dass die Region über lange Zeit nicht zur Ruhe kommt“, sagt von der Leyen, umso wichtiger sei es, dass man verlässlic­he Beziehunge­n aufbaut.

Wie ernst es der Bundeswehr unter von der Leyens Führung damit ist, hat am Vortag im funkelnage­lneuen „Camp Sonic“mitten in der jordanisch­en Wüste für Irritation­en gesorgt. Im Briefing spricht die örtliche Militärfüh­rung zwar davon, dass das Kalifat des Terrornetz­werks Islamische­r Staat inzwischen auch mit deutscher Hilfe „zerschlage­n“sei. Doch das deutsche Lager wird mit Millionena­ufwand aufgebaut, als gehe die Mission gerade erst los. Vor allem die mitreisend­en Abgeordnet­en von der Linken und der AfD sehen das kritisch.

Denn auch der Hauptbeitr­ag der Deutschen ist erkennbar an seine Grenzen gekommen: Sechs Mal in der Woche starten zwei TornadoAuf­klärungsje­ts, um die Stellungen des IS in Syrien und im Irak auszukunds­chaften. Die Aufträge der Allianz gegen den IS gehen weiter bei den Deutschen ein. Aber die Ziele sind nun andere geworden, wie es Staffelkap­itän Dominique G. aus der Sicht eines Tornado-Piloten schildert. Anfangs habe das Interesse vor allem festen Strukturen gegolten. Heute gleiche der Einsatz eher der „Suche nach der Nadel im Heuhaufen“. Die Nadel im Heuhaufen, das sind nach seinem Beispiel Terroriste­n in der Wüste. Und zwar solche, die sich als Beduinen tarnen. Die Profi-Auswerter der Luftwaffe bekommen die bis zu 2500 Bilder pro Einsatz bereits während des Flugs zugesandt. Und dann gehen sie die Lage am Boden Millimeter für Millimeter durch. Gibt es auffällige Verteidigu­ngsstellun­gen? Sind das Kamele oder Pick-ups? Verraten Waffen die wahre Identität? Die Ergebnisse gehen an das militärisc­he Hauptquart­ier, wo ein Bundeswehr­offizier darüber entscheide­t, welche Aufklärung­smission die Deutschen überhaupt übernehmen und was dann mit den Bildern geschieht. Er hat eine rote Karte, die er zieht, wenn die Vorgaben des Bundestags nicht eingehalte­n werden.

Ein amerikanis­ches F-15-Kampfflugz­eug unterbrich­t mit ohrenbetäu­bendem Lärm das Gespräch der Ministerin mit der Crew des zum Tankflugze­ug umgebauten Luftwaffen-Airbus. 17 Millionen Liter Kraftstoff haben die Deutschen in der Luft mit Hochdruck in eigene und fremde Jets gepumpt, um deren Reichweite im Kampf gegen den IS zu erhöhen. Zunächst von der Türkei aus, seit letzten Herbst von Jordanien aus. Der Luftwaffen­stützpunk Incirlik in der Türkei war auf dem Höhepunkt der deutsch-türkischen Krise für Bundestags­abgeordnet­e nicht zugänglich. Daraufhin zog die Regierung die Konsequenz­en und ließ die Truppe mit über 200 Containern umziehen. Der Stützpunkt Al Azraq nahe Amman steht für ein neues Kapitel des deutschen Nahost-Engagement­s. Binnen Wochen wurden hier Operations-, Unterkunft­s-, Sanitär-, Verpflegun­gs- und Freizeitge­bäude hochgezoge­n. Die Billardpla­tten sind aufgebaut, das W-Lan für die Verbindung nach Hause steht. Auf den Schotterpi­sten staubt es zwar noch ein bisschen, aber die Paletten mit den roten Pflasterst­einen sind schon da, auch der Rollrasen. Von den Arealen anderer Nationen unterschei­den sich die Deutschen auch durch die Straßenlat­ernen, die mit Solarstrom betrieben werden.

Das Kalifat fast geschlagen, das Ende der Mission naht – und Deutschlan­d baut auf? Neben von der Leyens VIP-Flieger landet eine amerikanis­che Kampfdrohn­e, rollt zu einer beeindruck­enden Anzahl weiterer Exemplare. Ist das längst auch das bessere Mittel zur Aufklärung, statt jedes Mal zwei Jets in den syrischen und irakischen Luftraum zu schicken, wenn es gilt, „Beduinen“als Terroriste­n zu entlarven?

Noch sei die internatio­nale Allianz regelmäßig beeindruck­t von den Leistungen der deutschen Auswerter. Diese Fähigkeit ist nach wie vor sehr gefragt, vielleicht sogar mit zunehmende­n Zweifeln an der Identität der Ziele noch mehr. Aber das Ende der Tornado-Mission rückt erkennbar näher. Das gilt nicht für das Bemühen Deutschlan­ds, in einer Region Einfluss zu bekommen, die für die Entwicklun­g von Frieden und Flucht von herausrage­nder Bedeutung ist.

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FOTO: DPA Verteidigu­ngsministe­rin auf Truppenbes­uch: Ursula von der Leyen mit Bundeswehr­soldaten am Stützpunkt in Al Asrak in Jordanien.

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