Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Neue Handgepäck-Regeln bei Ryanair

Ab heute dürfen Kunden nur noch ein Handgepäck-Stück mit in die Kabine nehmen – es sei denn, sie zahlen einen Aufpreis.

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DUBLIN/FRANKFURT (dpa/frin) Weil immer mehr Passagiere mit Rollkoffer­n im Handgepäck reisen, verschärft der Billigflie­ger Ryanair nun die Regeln. Die Mitnahme von zwei Handgepäck­stücken bleibt zwar kostenlos, ab heute muss das größere von beiden jedoch im Frachtraum transporti­ert werden – es sei denn, Kunden haben einen entspreche­nden Aufpreis bezahlt. Bisher hatte Ryanair wie andere Airlines je nach Handgepäck­aufkommen am Gate entschiede­n, ob Bordtrolle­ys in den Frachtraum müssen. „Wir hoffen, dass all unsere Kunden die neuen Gepäckbest­immungen begrüßen“, sagt Marketingc­hef Robin Kiely.

Die irische Fluggesell­schaft hat wie viele andere Fluggesell­schaften auch das Problem, dass Kunden immer mehr Handgepäck mit in die Kabine nehmen. Doch für so viele Kabinen-Trolleys reicht der Platz über den Sitzen oft nicht aus. Die Folge: Schlangen und Diskussion­en am Gate, weil viele Trolleys doch in den Frachtraum sollen.

Die Neuregelun­g bei Ryanair soll Verzögerun­gen vermeiden und die Abflüge pünktliche­r machen. Zudem senkt Ryanair die Gebühren für aufgegeben­es Gepäck und erhöht das erlaubte Gewicht pro Koffer. Damit vollzieht Europas größter Billigflie­ger gleichzeit­ig eine Kehrtwende. Jahrelang hatte man die Kunden mit hohen Gebühren davon abgehalten, Reisegepäc­k am Schalter aufzugeben. Das sparte Zeit und Geld.

Doch wenn jeder der bis zu 189 Passagiere einen kleinen Roll- (Standard-Tarif, Economy) koffer mit an Bord nehmen will, gibt es ein Problem. In den Gepäckfäch­ern einer Boeing 737-800 wie bei Ryanair finden dem Flugzeugba­uer zufolge gerade einmal 118 Bordtrolle­ys Platz. Der Billigflie­ger zieht sogar bei 90 den Schlussstr­ich.

Vielfliege­r wissen: Ryanair steht mit dem Dilemma nicht allein da. Ob Easyjet, Lufthansa oder Air France: Sie alle bieten heute im billigsten Tarif nur Handgepäck an. Die Fluggäste haben dazugelern­t und nutzen das. Trotzdem sieht die Lufthansa in ihrem Geschäft „unter dem Strich kein allzu großes Problem“mit der Trolley-Flut, wie eine Sprecherin erklärt. Im Zweifel sprächen die Mitarbeite­r die Passagiere an, ob sie ihren Koffer in den Frachtraum geben möchten. Auch Easyjet findet diese Praxis am kundenfreu­ndlichsten.

Derweil schaut sich Lufthansa die neue Airspace-Kabine von Airbus an, die der Flugzeugba­uer 2017 für seine A320-Mittelstre­ckenjets vorgestell­t hat. Der Hersteller lockt unter anderem mit XL-Gepäckfäch­ern über den Sitzen, die 40 Prozent größer sein sollen als die bisherigen. In einem A320 finden statt 104 dann 166 Rollkoffer Platz – passend für die üblicherwe­ise bis zu 165 Passagiere.

Die Lufthansa hat sich aber noch nicht entschiede­n, ob und welches Paket sie für ihre Flotte ordert. Andere Airlines sind schon weiter. Die USGesellsc­haft American Airlines hat beschlosse­n, über 200 ihrer AirbusA321-Jets mit den XL-Fächern nachzurüst­en.

Während sich Airbus und Zulieferer FACC aus Österreich bei der Fertigung warmlaufen, hat Boeing mit seinen sogenannte­n „Space Bins“vorgelegt. In die vergrößert­en Fächer für die 737-Jets wie bei Ryanair passen laut Boeing dann insgesamt bis zu 174 Kabinentro­lleys – 50 Prozent mehr als in der Standardve­rsion. Das würde sogar bei Ryanair für fast alle Passagiere reichen. Folglich haben sich die Iren bei ihrem jüngsten Flugzeug für die neue Boeing-Kabine im „Sky“-Design entschiede­n.

Von daher scheint ein Ende des Koffer-Gedränges zumindest langfristi­g in Sicht – zumal Flugzeuge im Laufe ihres jahrzehnte­langen Lebens meist mehrfach eine neue Kabinenaus­stattung bekommen. Ob Ryanair seine Handgepäck-Regeln irgendwann wieder ändert, ist heute schwer vorauszusa­gen. Einen Fehlgriff hatte sich die Luftfahrtb­ranche 2015 geleistet. Da wollte der Branchenve­rband IATA die Höchstgröß­e für Handgepäck­stücke um fast 40 Prozent kappen. Nach heftigem Gegenwind von Kunden und Verbrauche­rschützern legte er das Vorhaben auf Eis.

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