Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Handballer setzen erstes Ausrufezeichen
Das DHB-Team beweist beim 32:19 gegen Montenegro zum Auftakt der EM seine Qualität auf breiter Front.
ZAGREB Steffen Weinhold hechtet an der Mittellinie einem Ball hinterher. Patrick Wiencek schmeißt sich am Kreis in einen Abpraller. Patrick Groetzki fliegt durch den eigenen Abwehrkreis und schafft es, den vom montenegrinischen Schlussmann Rade Mijatovic geworfenen Ball abzuwehren. Dies waren Aktionen, die auf ein umkämpftes Spiel hinzudeuten schienen. Doch die deutsche Mannschaft hatte zu diesem Zeitpunkt ihre Auftaktpartie bei der EM in Kroatien längst im Sack. Elf Minuten hatte der Gegner keinen Treffer erzielt, war die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) von 4:3 auf 13:3 davongezogen. Am Ende wurde mit dem 32:19 der höchste Erfolg in der deutschen EM-Geschichte – 36:22 gegen die Ukraine in Basel vor zwölf Jahren – nur um einen Treffer verfehlt.
„Wir haben ein sehr gutes Gesamtpaket abgeliefert“, sagte Christian Prokop. „Egal, in welcher Formation wir auf dem Platz standen, wurden die taktischen Aufgaben erfüllt. Wir haben immer wieder Lösungen gefunden und sind konzentriert geblieben“, ergänzte der Bundestrainer. Dazu spielte die Abwehr, die sich auf einen starken Andreas Wolff im Tor verlassen konnte, wie gewünscht aggressiv und variabel.
Zum perfekten Gesamtbild passten halt auch die Aktionen von Weinhold, Groetzki und Wiencek, die in Erinnerung blieben. Vor allem Groetzkis Flugeinlage beeindruckte. „Egal, was Silvio Heinevetter oder ich noch machen, wir kommen auf keinen Fall an die 100-Prozent-Quote gehaltener Bälle heran. So wird er sehr wahrscheinlich der beste deut- sche Handballtorhüter bleiben“, sagte Andreas Wolff mit einem Lächeln.
Montenegro war schwächer als erwartet, bekam aber von der deutschen Mannschaft auch keinen Raum, sich zu entfalten. „Bei allen Fehlern, die wir noch gemacht haben, war das Engagement, der Kampf um jeden Zentimeter, beeindruckend“, sagte DHB-Vizepräsident Bob Hanning. „Es war ein guter Start. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.“Aber nicht nur Groetzki war von der Vorstellung der Montenegriner überrascht. „Wir haben Videos von ihnen gesehen, da wirkten sie sehr stark“, sagte der Rechtsaußen des deutschen Meisters RheinNeckar Löwen. „Da waren allerdings Torwart Simic von Melsungen und Torjäger Borozan vom Champions-League-Sieger Vardar Skopje dabei. Und wenn zwei der Besten ausfallen, dann ist das schon ein herberer Verlust als bei uns“, ergänzte der 28-Jährige. Zum Vergleich: Montenegro hat rund 650.000 Einwohner, der DHB rund 750.000 Mitglieder.
Gestern aber galt die Konzentration schon dem heutigen Spiel gegen Slowenien (18.15 Uhr/ARD). Dann wird die Halle in der Hand der Fans des WM-Dritten sein, der nach dem 24:25 gegen Mazedonien in seinem Auftaktspiel schon unter Siegzwang steht. „Das wird ein ganz anderes Spiel. Die Slowenen werden viel defensiver stehen, es wird viel physischer zugehen. Wir müssen uns mit Videostudium und im Abschlusstraining darauf vorbereiten. Dann, glaube ich, wird uns Christian oft genug gesagt haben, was wir machen müssen, um erfolgreich zu sein“, sagte Rückraumspieler Julius Kühn. Die Gewaltwürfe des gebürti- gen Duisburgers könnten helfen, die stabile Deckung aufzureißen. Und mit Kreuzungen die Abwehrspieler ans Laufen zu bringen und Lücken zu reißen.
Der gelungene Auftakt ist nichts wert, wenn in den beiden restlichen Gruppenspielen heute und am Mittwoch nicht nachgelegt wird. „Da wir die Punkte mitnehmen, wäre ein Sieg gegen Slowenien nur die halbe Miete, denn wir wären sicher in der Hauptrunde. Aber das bringt uns gar nichts, wenn wir dann gegen Mazedonien verlieren“, betonte Torwart Wolff. Gegen Montenegro sorgten die deutschen Fans für ein Heimspiel, nun warten zwei Partien, in denen die DHB-Auswahl gegen einen Rivalen und dessen heißblütige Fans kämpfen muss.
„Der Teamgeist und der Zusammenhalt werden noch stärker gefordert sein. Wir müssen clever und diszipliniert spielen“, forderte Christian Prokop. Julius Kühn hat Respekt, aber auch Zuversicht. „Sie müssen erst Mal an uns vorbeikommen, und das wird nicht so leicht.“