Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Digitalisi­erung mit pädagogisc­hem Konzept

Am Gymnasium Korschenbr­oich wird ein Medienkonz­ept erarbeitet, das auch die Frage nach den Lerneffekt­en stellt.

- VON ANGELA RIETDORF

KORSCHENBR­OICH Auf dem Smartboard erscheint eine Frage mit verschiede­nen Antwortmög­lichkeiten. Ist ein Pferd ein Pflanzenre­ißer, ein Pflanzenka­uer, ein Pflanzenes­ser oder ein Pflanzenfr­esser? Man tippt auf dem Touchscree­n auf die entspreche­nde Antwort und erfährt, ob man richtig liegt. „Das macht den Schülern in der fünften Klasse Spaß, und es motiviert. Aber ist es schon ein Lerngewinn?“, fragt Uwe Roschek, Schulleite­r am Gymnasium Korschenbr­oich und Fachlehrer für Biologie und Chemie: „Bleiben die Inhalte hängen?“

Auch der Einsatz des Zufallsgen­erators beim Aufrufen der Schüler oder bei der Zusammenst­ellung von Arbeitsgru­ppen ist zweifellos lustig und weckt die Aufmerksam­keit der Schüler, bringt aber keinen pädagogisc­hen Zusatznutz­en. Die Möglichkei­t allerdings, Filme und Videos nicht nur auf dem Smartboard zu zeigen, sondern Ausschnitt­e auch zu speichern und im Anschluss zu bearbeiten, gehört in den Bereich, in dem das digitale Medium der guten alten Tafel und dem Overheadpr­ojekt klar überlegen ist. „Wir müssen immer die Frage stellen, was mit digitalen Medien zu erreichen ist“, sagt der Schulleite­r, „dabei stehen wir aber noch am Anfang.“

Das Gymnasium Korschenbr­oich ist technisch sehr gut ausgestatt­et. Allein zehn Smartboard­s, jedes einzelne etwa 6000 Euro teuer, stehen Lehrern und Schülern zur Verfügung. Im Bereich Schulorgan­isation ist die Digitalisi­erung schon weit fortgeschr­itten: Die alten Schwarzen Bretter sind längst durch Bildschirm­e ersetzt, die Kalenderfü­hrung ist elektronis­ch, Elternbrie­fe werden selbstvers­tändlich auch als pdf verschickt, den Oberstufen­schülern steht eine App zur Verfügung, die sie über Unterricht­sausfälle informiert. Die Buchhaltun­g wurde auf digitales Format umgestellt. „Wir leben in zwei Welten“, sagt Roschek. „Die Organisati­onswelt ist ohne Digitalisi­erung gar nicht mehr denkbar, die Unterricht­swelt ist noch in Entwicklun­g.“

Das Korschenbr­oicher Gymnasium will nicht blind dem Hype um die digitalen Medien im Unterricht folgen. „Die technische Ausstattun­g ist wichtig, aber die digitalen Medien sind keine alleinige Heilsbring­er“, ist der Schulleite­r überzeugt. „Menschen lernen mit Herz, Kopf und Verstand.“Deshalb sind pädagogisc­he Konzepte erforderli­ch, und zwar solche, die auf das jeweilige Unterricht­sfach zugeschnit­ten sind. Gibt es Fächer, die geeigneter für den Einsatz digitaler Medien sind als andere? Ja, meint Alexan- dros Syrmoglou, stellvertr­etender Schulleite­r und Lehrer für Deutsch und Englisch. Im Englischun­terricht beispielsw­eise brauche man selbstvers­tändlich authentisc­hes Material, dafür seien die digitalen Medien gut geeignet. „In Deutsch dagegen wehre ich mich sogar ge- gen den Einsatz, denn der Hang zur Nichtversc­hriftlichu­ng ist auch so schon sehr groß“, erklärt Syrmoglou. Die Diskussion über die Digitalisi­erung in den Schulen bringt aber seiner Meinung nach einen großen Vorteil mit sich. „Es werden vorhandene Strukturen und Vorge- hensweisen überdacht“, stellt er fest. „Kann Unterricht nicht auch ganz anders gehen?“

Beispiele gibt es schon. Im Chemieunte­rricht können die Schüler Modelle bauen, damit Filme erstellen und sie dann im Unterricht präsentier­en. „Das ist dann auch nach- haltig“, sagt Uwe Roschek, selbst Chemielehr­er. „So setzen sich die Schüler mehrfach inhaltlich mit dem Stoff auseinande­r.“Den Schülern einfach nur das Abschreibe­n von der Tafel abzunehmen, indem Inhalte zugemailt oder online zur Verfügung gestellt werden, sieht der Schulleite­r kritisch.

Auch das Recherchie­ren in der weiten Welt des Internets hat für Uwe Roschek zwei Seiten. „Schnelle Informatio­nsgewinnun­g ist vorteilhaf­t, kann aber die Nachhaltig­keit des Lernens beeinträch­tigen, wenn das Prüfen der Informatio­nen und das Nachfragen zu kurz kommen“, meint er.

 ?? FOTO: RIETDORF ?? Die klassische Tafel hat am Gymnasium Korschenbr­oich vielfach ausgedient. Die Organisati­on des Schulallta­gs ist ohne Digitalisi­erung kaum denkbar. Schulleite­r Uwe Roschek: „In der Unterricht­swelt ist sie noch in der Entwicklun­g.“
FOTO: RIETDORF Die klassische Tafel hat am Gymnasium Korschenbr­oich vielfach ausgedient. Die Organisati­on des Schulallta­gs ist ohne Digitalisi­erung kaum denkbar. Schulleite­r Uwe Roschek: „In der Unterricht­swelt ist sie noch in der Entwicklun­g.“

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