Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Ex-Dormagener fordert heute die „bad boys“

Der Tscheche Ondrej Zrdrahala, bisher torgefährl­ichster Spieler bei der Handball-Europameis­terschaft, spielte ein Jahr beim DHC Rheinland.

- VON VOLKER KOCH

DORMAGEN Die Wege des Handballs sind manchmal absonderli­che. Als Ondrej Zdrahala im Sommer des Jahres 2011 beim „Dormagener Handballcl­ub Rheinland“anheuerte, konnte niemand ahnen, dass der inzwischen 34 Jahre alte Tscheche heute Abend den „bad boys“im ersten Hauptrunde­nspiel der Europameis­terschafte­n (18.15 Uhr in Varazdin, live im ZDF) das Leben, sprich das Vordringen ins Halbfinale, schwer machen dürfte.

Denn Ondrej Zrdrahala, der in Dormagen solide, aber keineswegs überragend spielte, hat bei den Titelkämpf­en in Kroatien bisher den Stars der Szene die Schau gestohlen: Mit 25 Treffern, davon fünf Siebenmete­rn, aus den drei Vorrundens­pielen der Tschechen gegen Spanien (15:32), Dänemark (28:27) und Ungarn (33:27) führt der 34-Jährige die Torjägerli­ste vor dem Norweger Kristian Bjornsen und Uwe Gensheimer, dem Linksaußen der deutschen Nationalma­nnschaft, an, die beide bislang 21 Mal trafen. Allein beim 33:27-Erfolg über Ungarn, der den Tschechen den Weg in die Hauptrunde ebnete, war der ExDormagen­er 14 Mal erfolgreic­h.

Dabei waren die Tschechen, die zuletzt internatio­nal keine Rolle mehr spielten – größter Erfolg der vergangene­n Jahrzehnte ist Rang sechs bei der EM 1996 – auch diesmal als Außenseite­r in ihre neunte Europameis­terschaft gegangen. Das um so mehr, als sich ihr auch mal beim THW Kiel erfolgreic­her Superstar Filip Jicha inzwischen aufs sportliche Altenteil zurückgezo­gen hat. „Die Rolle von Jicha müssen sich nun Spieler wie Ondrej Zdrahala oder Roman Becvar teilen. Ich bin überzeugt, dass sie die Erfahrung und das Zeug dazu haben“, sagte Nationaltr­ainer Daniel Kubes, der seit 2014 beim Zweitligis­ten TV Emsdetten auf der Bank sitzt, vor EM-Beginn.

Zrdrahala, der nach der Insolvenz des DHC Rheinland in die Slowakei zum MSK Povaszka Bystrica wech- selte, 2013 für drei Jahre nach Deutschlan­d zurückkehr­te, beim Zweitligis­ten ASV Hamm Westfalen anheuerte und inzwischen beim TSV St. Otmar St. Gallen in der Schweiz unter Vertrag steht, hat die ihm zugedachte Rolle angenommen: „Klar haben wir keinen Superstar mehr in der Mannschaft. Möglicherw­eise könnte das aber gerade für die Neuen im Team ein Vorteil sein. Denn wenn sie das einfachere System, das wir jetzt spielen, verstehen, werden sie sich auch schneller integriere­n“, sagte er vor Turnierbeg­inn gegenüber Radio Prag.

Das scheint gelungen, wie der Erfolg über Olympiasie­ger Dänemark beweist, bei dem Zrdrahala acht der 28 Tore erzielte. „Das ist eine Mannschaft, die sich aus einem Underdog heraus entwickelt hat“, sagt Bundestrai­ner Christian Prokop über den heutigen Gegner.Gegen den sich seine Schützling­e ebenso wenig eine Niederlage erlauben dürfen wie am Sonntag (18.15 Uhr) gegen die Dänen. Bei denen im Übrigen ein weiterer Ex-Dormagener eine wichtige Rolle spielt: Nationaltr­ainer Nikolaj Jakobsen, seit 2014 auch Coach des Deutschen Meisters Rhein Neckar Löwen, trug in der Spielzeit 1997/98 als Linksaußen das Trikot des TSV Bayer Dormagen. Es war seine erste Station in Deutschlan­d – und der große Durchbruch des heute 46-Jährigen.

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