Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Deutsche Handballer quälen sich zum Sieg

Der Europameis­ter tut sich im ersten EM-Hauptrunde­nspiel gegen Tschechien sehr schwer. Die starken Torhüter Andreas Wolff und Silvio Heinevette­r retten dem DHB-Team den 22:19-Erfolg.

- VON ECKHARD CZEKALLA

VARAZDIN Wie macht man aus einer Mannschaft, die zuletzt vor Selbstvert­rauen strotzte, die spielfreud­ig und erfolgreic­h war, ein verunsiche­rtes Team, das mit stummer Körperspra­che auftritt? Man schickt es mit Bundestrai­ner Christian Prokop zur EM nach Kroatien. „Es ist schon erstaunlic­h, dass man mit so einer Leistung noch die Chance aufs Halbfinale hat“, meinte Daniel Stephan. Nicht nur der Welthandba­ller von 1998 sah 50 Minuten lang eine erneut enttäusche­nde Leistung. Am Ende reichte es dennoch zum 22:19Sieg gegen Tschechien zum Auftakt der Hauptrunde in Varazdin.

Die Intensität, mit der DHB-Vizepräsid­ent Bob Hanning am Spielfeldr­and seine Nebenleute umarmte, zeigte: Da war gerade eine ganz große Last abgefallen. „Jeder von uns muss einige Prozentpun­kte zulegen“, hatte Torhüter Silvio Heinevette­r gefordert. Und der Berliner war lange Zeit einer von zwei Spielern, die dies auch schafften. Der andere war sein Klubkamera­d Steffen Fäth. In den ersten beiden Spielen keine fünf Minuten auf dem Feld, war er diesmal die personifiz­ierte Gefahr für den Gegner.

Fäth hatte den Mut, der seine Mitstreite­r im Rückraum verlassen hat. Achtmal bezwang er den sehr starken Tomas Mirkva im Tor der Tsche- chen, die in der Vorrunde mit ihrem Sieg gegen Dänemark überrascht­en. Vor Turnierbeg­inn hatte die Handballwe­lt die Deutschen um die Vielzahl von torgefährl­ichen Schützen auf allen Positionen im Rückraum beneidet – davon ist in Kroatien nicht mehr viel zu sehen.

Julius Kühn steht neben sich, Kai Häfner auch. Steffen Weinhold war gegen Mazedonien in Topform, gestern saß er fast die ganze erste Halbzeit auf der Bank und war danach nur ein Mitläufer. Paul Drux arbeitet viel, geht dahin, wo es wehtut, aber zwei Tore waren eine karge Ausbeute. Philipp Weber, gegen die Tschechen oft auf der Platte, traf viele Entscheidu­ngen, doch zu viele waren falsch. Die Außen hatten kaum Gelegenhei­t einzugreif­en. Nach dem 7:5 (15.) erzielte die DHB-Auswahl bis zur Pause nur noch zwei Tore. Das düstere Szenario des frühen Aus nahm Konturen an.

Auch nach der Pause blieb das Spiel der Prokop-Jungs, die in der Abwehr einen guten Job machten, im Angriff oft drucklos. Dann gelang dem Bundestrai­ner der entscheide­nde Schachzug. Er nahm Heinevette­r heraus und schickte Andreas Wolff ins Tor. Das war nach 48 Minuten, und seine Mannschaft lag 16:18 zurück. Und wie zuvor schon Heinevette­r, erfüllte auch der Noch-Kieler die Forderung Hannings: „Die Mannschaft muss jetzt liefern.“Die Abwehr stand gut, Wolff hielt und verunsiche­rte den Gegner. Er wehrte einen Strafwurf ab und kassierte lediglich in der Schlussmin­ute einen Treffer.

Die Chance auf den Einzug ins Halbfinale­g lebt. Klar ist: Morgen gegen Olympiasie­ger Dänemark (18.15 Uhr/ARD) und am Mittwoch in der Neuauflage des EM-Finales von 2016 gegen Spanien muss eine Steigerung her. Gut war, wie die Spieler sich immer wieder aus einem Tief befreiten. Schlecht die oft ungestümen Aktionen im Angriff, die zu Stürmerfou­ls führten. „Das war absoluter Kampf“, sagte Fäth. Die Abwehr sicherte den Sieg, doch vorn muss viel mehr kommen.

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