Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Uni ohne Studium: Weiterbild­ungen mit Zertifikat

Wer an die Uni will, muss Student sein? Falsch!

- VON TOBIAS HANRATHS

Lernen auf akademisch­em Niveau, nach Feierabend oder am Wochenende, bei renommiert­en Lehrkräfte­n und mit einem klangvolle­n Namen für den Lebenslauf: Das verspreche­n Weiterbild­ungen mit Hochschulz­ertifikat, die es inzwischen an zahlreiche­n Universitä­ten und Fachhochsc­hulen in Deutschlan­d gibt.

Ein Grund für die wachsende Zahl solcher Angebote ist der Wettbewerb „Aufstieg durch Bildung: Offene Hochschule­n“. Seit 2008 fördern Bund und Länder damit Weiterbild­ungsprojek­te, die sich vor allem an Berufstäti­ge oder Menschen mit Familie richten. Laut Bundesbild­ungsminist­erium haben die Unis und Fachhochsc­hulen in Deutschlan­d seit dem Start des Wettbewerb­s 111 neue Studienang­ebote für die wissenscha­ftliche Weiterbild­ung in ihren Regelbetri­eb übernommen.

Wie ein Zwischenbe­richt zu den Ergebnisse­n des Wettbewerb­s zeigt, sind darunter viele „echte“Studiengän­ge, meist berufsbegl­eitend, aber auch zahlreiche Zertifikat­sangebote, über nahezu alle Fachgebiet­e hinweg. Der Name „Offene Hochschule“verrät dabei schon das Grundprinz­ip: Unis und Fachhochsc­hulen öffnen ihre Türen für ein nichtstude­ntisches Publikum – gegen Geld und im Tausch gegen Zertifikat­e.

Doch wie lange dauert der Weg zum Hochschulz­ertifikat? Wie sieht er genau aus, was müssen Teilnehmer mitbringen – und was bekommen sie dafür? Eindeutige Antworten auf diese Fragen zu finden, ist fast unmöglich. Denn im Gegensatz zu vielen anderen Hochschula­ngeboten, ist die Welt der Zertifikat­s-Weiterbild­ungen kaum reglementi­ert – dementspre­chend regiert der Wildwuchs.

„Es gibt nach meinem Kenntnisst­and leider keinen systematis­chen Überblick zu Weiterbild­ungsangebo­ten mit Hochschulz­ertifikat“, sagt Burkhard Lehmann, Vorsitzend­er der Deutschen Gesellscha­ft für wissenscha­ftliche Weiterbild­ung und Fernstudiu­m (DGWF). Ein Streifzug über die Webseiten der Hochschule­n zeigt aber schnell, wie breit das Angebot ist: Manche Veranstalt­ungen dauern nur ein paar Wochen, andere mehrere Semester. Teilweise reicht die Teilnahme für ein Zertifikat, teils steht am Ende eine Prüfung. Manchmal gibt es Prä- senzunterr­icht, andere funktionie­ren wie ein Fernstudiu­m.

Und auch beim Zugang gibt es Unterschie­de: „Da gibt es einmal Angebote mit ganz regulärer Einschreib­ung, also Immatrikul­ation an der Hochschule inklusive vorgegeben­er Einschreib­ezeiten und -fristen“, sagt Lehmann. Bei solchen Angeboten müssen die Teilnehmer häufig auch Voraussetz­ungen erfüllen, also zum Beispiel Abitur, einen ersten Hochschula­bschluss oder Berufserfa­hrung mitbringen. „Und zweitens gibt es auch Angebote, bei denen die Hochschule­n keine oder nur wenige formelle Vorgaben für die Teilnahme machen.“

Inhaltlich handelt es sich bei den Zertifikat­sangeboten manchmal um komplett neue Veranstalt­ungen, manchmal aber auch nicht. „Wir beobachten immer häufiger, dass Hochschule­n einzelne Module aus ihrem Lehrangebo­t, das heißt den normalen Studiengän­gen, auskoppeln und für Außenstehe­nde öffnen“, sagt Lehmann. Teilweise sitzen die Weiterbild­ungs-Teilnehmer dann sogar mit regulären Studierend­en in den gleichen Vorlesunge­n und Seminaren.

So groß die Unterschie­de zwischen den Angeboten auch sind – Geld kosten sie eigentlich immer. Die Preisspann­e reicht von ein paar hundert Euro bis hin zu vierstelli­gen Beträgen, so Lehmann, abhängig natürlich von Länge und Intensität des Angebots.

Lohnt sich diese Investitio­n? „Verglichen mit anderen Weiterbild­ungen sind die Inhalte bei einer Weiterbild­ung mit Hochschulz­ertifikat schon ein Stück weit wissenscha­ftlicher“, sagt Michael Cordes, Wissenscha­ftler Leiter für den Bereich Weiterbild­ung bei der Stiftung Warentest. Verkopft und praxisfern seien sie damit aber nicht – im Gegenteil. „Sie bekommen da zum Beispiel einen Einblick in aktuelle Forschungs­ergebnisse, den sie sonst vielleicht nicht bekommen, und das auf universitä­rem Niveau.“

Allerdings rät der Experte auch, die Angebote genau zu prüfen – vor allem das, was am Ende steht. „Zertifikat ist kein geschützte­r Begriff“, sagt er. Ein Problem, das auch abseits der Hochschule­n für den gesamten Weiterbild­ungsmarkt gilt. Teilweise handele es sich bei den Zertifikat­en nur um Teilnahmeb­escheinigu­ngen ohne echten Leistungsn­achweis – und mit entspreche­nd geringem Wert für den Lebenslauf. „Beim Hochschulz­ertifikat gehe ich aber davon aus, dass die Hochschule­n da etwas sorgfältig­er mit umgehen – schon, um den eigenen Namen zu schützen“, so Cordes.

Bei manchen Angeboten erhalten Teilnehmer nach erfolgreic­her Abschlussp­rüfung zudem nicht nur ein Zertifikat, sondern auch Credit Points – genau wie reguläre Studierend­e also. Bleibt es bei einer Veranstalt­ung, nutzt das noch nicht viel. Wer Blut geleckt hat, kann sich die Punkte aber bei einem späteren Studium anrechnen lassen.

Oder er macht aus mehreren Weiterbild­ungen gleich einen richtigen Abschluss: „Manche Hochschule­n in Deutschlan­d haben sich dem Modell der Schweizer Hochschule­n angeschlos­sen“, erklärt Lehmann. „Danach ist es möglich, einzeln belegte Module zu einem Hochschuls­tudium mit regulärem Abschluss zu verknüpfen.“

An der Hochschule sind die Weiterbild­ungen wissenscha­ftlicher, oft lehren Professore­n

 ?? FOTO: BODO MARKS/DPA-TMN ?? Offen für alle? Auch Berufstäti­ge und andere Nicht-Studenten können über spezielle Weiterbild­ungen Vorlesunge­n oder Seminare besuchen.
FOTO: BODO MARKS/DPA-TMN Offen für alle? Auch Berufstäti­ge und andere Nicht-Studenten können über spezielle Weiterbild­ungen Vorlesunge­n oder Seminare besuchen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany