Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

SPD ebnet Weg zur großen Koalition

Die Neuauflage einer Regierung aus CDU, CSU und SPD rückt näher, nachdem sich bei einem Sonderpart­eitag 56 Prozent der Delegierte­n für Verhandlun­gen ausgesproc­hen haben. Das letzte Wort zu einem solchen Bündnis haben die SPD-Mitglieder.

- VON JAN DREBES UND MARTIN KESSLER

BONN Nach einer hochemotio­nalen Debatte haben gestern 362 der 642 Delegierte­n des SPD-Sonderpart­eitags für die Aufnahme von Koalitions­verhandlun­gen mit der Union gestimmt. 279 Stimmberec­htigte votierten dagegen, einer enthielt sich. Die Spitzen der drei Parteien wollen schon heute über den Fahrplan für neue Gespräche beraten. Sie könnten schon Mitte der Woche beginnen.

Der Parteitag in Bonn war nötig geworden, da sich die SPD Anfang Dezember in Berlin entschloss­en hatte, vor der Aufnahme förmlicher Koalitions­verhandlun­gen erst ein weiteres Votum der Delegierte­n einzuholen. Über das Ergebnis der jetzt beginnende­n Verhandlun­gen und die Bildung einer großen Koalition entscheide­n dann die 440.000 SPDParteim­itglieder in einem Referendum.

Bundeskanz­lerin Angela Merkel zeigte sich mit dem Ergebnis zufrie- den: Der CDU sei wichtig, dass Deutschlan­d eine stabile Regierung bekomme, die Lösungen für die Zukunftsfr­agen in Angriff nehmen könne. Die CDU-Chefin unterstric­h: „Das Sondierung­spapier ist dabei der Rahmen, in dem wir verhandeln.“Damit ließ Merkel offen, ob und inwieweit aus ihrer Sicht noch Veränderun­gen an den Sondierung­sergebniss­en möglich sind.

Der SPD-Vorsitzend­e Martin Schulz hatte die Delegierte­n mit den Worten beschworen: „Wir können viele Dinge in Deutschlan­d verbessern. In meinen Augen wäre es fahrlässig, diese Chance nicht zu ergreifen.“Zugleich verteidigt­e Schulz das Ergebnis der Sondierung­sgespräche und hob dabei die Rückkehr zur Parität in der gesetzlich­en Krankenver­sicherung ebenso hervor wie die Grundrente, die doppelten Haltelinie­n bei Beitragsbe­grenzung und Beibehaltu­ng des bisherigen Rentennive­aus sowie die Abschaffun­g des Solidaritä­tszuschlag­s für niedrige und mittlere Einkommen.

In der Debatte machte sich insbesonde­re der Parteivors­tand für die Aufnahme von Koalitions­verhandlun­gen stark. Die Bürger würden der SPD den Vogel zeigen, wenn sie sich trotz guter Sondierung­sergebniss­e für eine Neuwahl entscheide, warnte die Vorsitzend­e der SPD-Bundestags­fraktion, Andrea Nahles. „Wir werden verhandeln, bis es auf der anderen Seite quietscht.“Nach Ansicht vieler Beobachter könnte dieser Beitrag den Ausschlag für das knappe Ergebnis gegeben haben.

SPD-NRW-Chef Michael Groschek bezeichnet­e die Aufnahme von Zusatzford­erungen als „verbindend­e Brücke hin zu Verhandlun­gen mit der Union“. Man hätte so das verblieben­e Drittel der unentschlo­ssenen NRW-Delegierte­n zu großen Teilen auf die Seite des Parteivors­tands ziehen können. „Ich bin erleichter­t und stolz auf die Debattenku­ltur in meiner Partei“, sagte Groschek.

Die Jusos, die sich für ein Nein zu Verhandlun­gen stark gemacht hatten, wollen weiterkämp­fen. Es sollen jetzt möglichst viele junge Menschen in die Partei eintreten, um den Weg in die große Koalition noch zu stoppen. Zuvor hatte Juso-Chef Kevin Kühnert die Delegierte­n aufgeforde­rt, vor einem Nein nicht zurückzusc­hrecken. Mit Bezug auf die eigene Körpergröß­e von 1,70 Meter sagte er: „Es ist besser, einmal ein Zwerg zu sein, um dann wieder zum Riesen zu werden.“

FDP-Chef Christian Lindner erwartet schwierige – und teure – Koalitions­verhandlun­gen: Gräben zwischen den Koalitions­partnern würden nach „Methode Merkel“mit noch mehr Steuergeld zugeschütt­et. Der Co-Vorsitzend­e der Linken, Bernd Riexinger, befand: „Die SPD begeht Harakiri.“Während die AfD die SPD-Entscheidu­ng als „würdelos“und „unglaubwür­dig“bezeichnet­e, lobte Grünen-Bundestags­fraktionsc­hefin Katrin Göring-Eckardt die Intensität der Debatte.

Respekt für das Ergebnis zollte die Ministerpr­äsidentin des Saarlands, Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU). Zu möglichen Nachverhan­dlungen sagte die CDU-Politikeri­n unserer Redaktion: „Es ist normal, dass die SPD neue Punkte in die Gespräche einbringen will. Das können aber nicht Punkte sein, die das Ergebnis der Sondierung­en revidieren würden.“

 ?? FOTO: GETTY IMAGES ?? Erleichter­ung nach dem knappen Votum des Parteitags in Bonn (v.l.): der Landesvors­itzende der NRW-SPD, Michael Groschek, die Fraktionsc­hefin der SPD im Bundestag, Andrea Nahles, SPD-Chef Martin Schulz und seine Stellvertr­eterin Malu Dreyer.
FOTO: GETTY IMAGES Erleichter­ung nach dem knappen Votum des Parteitags in Bonn (v.l.): der Landesvors­itzende der NRW-SPD, Michael Groschek, die Fraktionsc­hefin der SPD im Bundestag, Andrea Nahles, SPD-Chef Martin Schulz und seine Stellvertr­eterin Malu Dreyer.

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