Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Ich kann das einfach nicht glauben“

Nach der Veröffentl­ichung der Hintergrün­de, die zur Entpflicht­ung des Klever Pfarrers geführt haben, sind die Gemeindemi­tglieder fassungslo­s. Das Bistum Münster erklärt, es habe nie über Burn-out als Begründung nachgedach­t.

- VON PETER JANSSEN UND STEFAN WEIGEL

KLEVE Die Vorabendme­sse in der Klever St.-Anna-Pfarrkirch­e beginnt mit Gotteslob, Nummer 144: „Nun jauchzt dem Herren, alle Welt...“Es ist der erste Gottesdien­st, nachdem die Rheinische Post über die Hintergrün­de berichtet hat, die zur Entpflicht­ung des Gemeindepf­arrers geführt hatten. Über einen Zeit-

Der Priester war am Samstag zu Gesprächen in Münster. Gegenstand der Unterhaltu­ng: die aktuelle Situation

raum von knapp zwei Jahren hatte der Geistliche teilweise sehr intime Whatsapp-Nachrichte­n mit einem Minderjähr­igen ausgetausc­ht. Der Jugendlich­e hatte sich, nachdem für ihn der psychische Druck zu groß wurde, an einen Seelsorger gewandt. Dieser informiert­e das Bistum, das mit der Entpflicht­ung schnell reagierte.

Etwa 80 Gläubige sind zur Messe gekommen. Ein Gottesdien­st wie jeder. Doch kurz vor dem Schlussseg­en tritt ein Diakon an den Ambo. Er verliest eine Mitteilung von Felix Genn, Bischof von Münster. Der Oberhirte bezieht Stellung zu dem Artikel. Einige Gläubige schütteln den Kopf. Vor der Kirche regt sich eine ältere Dame auf: „Eine Schande, ich kann es nicht mehr hören.“Sie ärgert sich über die Worte aus Münster, die aus ihrer Sicht eindeutig sind: Es gehe der Kirche darum, etwas zu verheimlic­hen und einen Priester zu decken. Einen Mann, der Menschen helfen solle und nicht schaden. Niemand will sich über den ehemaligen Pfarrer äußern. Die meisten Gottesdien­stbesucher wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen. Eine Frau sagt: „Ich kann das einfach nicht glauben.“

Das Bistum Münster hatte am Wochenende in einer Mitteilung zu der Entpflicht­ung Stellung genom- men. Als Grund wurde ein „unangemess­enes Kommunikat­ionsverhal­ten“des Priesters gegenüber dem Jugendlich­en der Gemeinde angegeben. Den kompletten Text finden Sie auf unserer Website. Es heißt dort, das Bistum bedauere zutiefst, dass der Jugendlich­e durch das Verhalten des früheren Pfarrers so leiden müsse. Allerdings gebe es keinen Hinweis auf ein strafrecht­lich relevantes Verhalten des Pfarrers. Das Vorgehen des Bistums in diesem Fall sei zu jedem Zeitpunkt eng mit der Familie des betroffene­n Jugendlich­en abgestimmt worden.

Den Vorwurf der Mutter des Jungen, man habe die Entpflicht­ung des Pfarrers zunächst nicht mit un- angemessen­em Kommunikat­ionsverhal­ten, sondern mit einem Burnout des Pfarrers begründen wollen, dementiert das Bistum in seiner Stellungna­hme. Unserer Zeitung liegen allerdings mehrere Aussagen von am Verfahren beteiligte­n Personen vor, die einen solchen Verdacht begründen. Unter anderem eine eidesstatt­liche Versicheru­ng der Mutter des betroffene­n Jugendlich­en, mit der unsere Redaktion im Zuge der Berichters­tattung in regelmäßig­em Kontakt steht.

Nach dem Dementi aus Münster hat unsere Redaktion das Bistum ebenfalls um die Abgabe einer eidesstatt­lichen Versicheru­ng gebeten, um die eigene Darstellun­g zu untermauer­n. Das lehnte ein Bistumsspr­echer gestern ausdrückli­ch ab: Mit Rücksicht auf das Wohl der Familie strebe man keine Konfrontat­ion an; auch weil man bisher alles im besten Einvernehm­en mit der Familie des betroffene­n Jugendlich­en geregelt habe. Trotzdem bleibe das Bistum bei seiner Version des Geschehens: Wenn das Thema Burn-out überhaupt eine Rolle gespielt habe, dann weil es im Gespräch beim Bistum von der Mutter des Jungen aufgebrach­t worden sei. Die Mutter war gestern nicht für eine Stellungna­hme zu erreichen.

Der Priester war am Samstag zu Gesprächen in Münster. Gegenstand der Unterhaltu­ng: die aktuelle Situation. Details zum Treffen wollte das Bistum nicht veröffentl­ichen.

Wie der Anwalt des 48-Jährigen gestern auf Anfrage unserer Redaktion erklärte, ist seinem Mandanten bewusst, dass Kleve für ihn nicht der richtige Ort ist, um Abstand zu gewinnen. „Zunächst hat er noch einige persönlich­e Dinge zu klären. Sobald dies erledigt ist, wird er sich seine Auszeit nehmen“, sagte der Jurist.

Heute trifft sich der Kirchenvor­stand der Klever Pfarrgemei­nde, um über die neue Situation zu beraten. So will man sich in dem Gremium offenbar abstimmen, ob eine Stellungna­hme zu den Vorfällen abgegeben wird.

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FOTO: KLAUS-DIETER STADE Viele Gläubige kamen gestern zum Gottesdien­st in die Klever Kirche, in der der von seinen Aufgaben entbundene Priester tätig war.

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