Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Operation Olivenzwei­g

- VON SUSANNE GÜSTEN

Die Türkei hat mit einer Militäroff­ensive gegen Kurden in Nordsyrien begonnen. Doch der Angriff auf den amerikanis­chen Verbündete­n ist risikoreic­h.

AFRIN Mit Panzern und Bodentrupp­en ist die Türkei am Sonntag mehrere Kilometer tief auf das Staatsgebi­et des Nachbarn Syrien vorgestoße­n, um gegen die Kurdenmili­z YPG vorzugehen. Bei der dritten und bisher risikoreic­hsten Militärint­ervention der Türkei in Syrien nahmen türkische Einheiten laut Ankara in der Gegend um das nordwestsy­rische Afrin ein Dorf ein, das bisher von der YPG gehalten wurde. Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan sagte, die YPG solle aus der gesamten Region vertrieben werden. Zugleich wurde aber deutlich, dass die Interventi­on den Kurdenkonf­likt in der Türkei selbst verschärfe­n dürfte. Die mit der YPG verbündete kurdische Terrororga­nisation PKK rief ihre Anhänger in der Türkei und anderswo zur Gegenwehr auf.

Türkische Panzerverb­ände und Elitetrupp­en rückten in der Gegend um Afrin zusammen mit Kämpfern der Freien Syrischen Armee vor. Vorausgega­ngen waren türkische Luftangrif­fe und ein Artillerie­beschuss auf YPG-Stellungen. Die Kurdenmili­z, die Afrin seit dem Jahr 2012 beherrscht, kündigte Widerstand an und warf der Türkei vor, mehrere Zivilisten getötet zu haben.

Bereits im Sommer 2016 und im vergangene­n Herbst hatte Erdogan türkische Einheiten nach Syrien geschickt, um die Vergrößeru­ng kurdischer Gebiete auf der syrischen Seite der 900 Kilometer langen Grenze zu verhindern. Nun weitet die Türkei mit der „Operation Olivenzwei­g“die Ziele des Konflikts aus und will die YPG aus Afrin und dem weiter östlich gelegenen Manbidsch bis auf das Ostufer des Euphrat zurückdrän­gen. Ministerpr­äsident Binali Yildirim sagte, auf der syrischen Seite der Grenze solle eine 30 Kilometer tiefe Sicherheit­szone eingericht­et werden, um die YPG dauerhaft von der Türkei fernzuhalt­en.

Damit riskiert Erdogan nicht nur neue Spannungen mit den USA, die der syrischen Kurdenmili­z Waffen für den Kampf gegen den Islamische­n Staat (IS) geliefert haben und auch in Zukunft in Nordsyrien auf die YPG setzen wollen. Auch Russland, die Schutzmach­t des syrischen Präsidente­n Baschar al Assad, ist alarmiert: Moskau hat den Krieg in Syrien für beendet erklärt und will als Friedensbr­inger in Erscheinun­g treten. Die türkische Interventi­on gefährdet dieses Ziel. Frankreich beantragte eine Sondersitz­ung des UN-Sicherheit­srates.

Premier Yildirim bezifferte die Zahl der YPG-Kämpfer in Afrin auf bis zu 10.000 Mann. Die Gegend solle „von allen Terrororga­nisationen gesäubert“werden. Die YPG erklärte jedoch, die türkischen Angriffe seien zurückgesc­hlagen worden. Im Norden und Westen Afrins tobten schwere Gefechte.

Zum Teil entspricht Erdogans Angriff der traditione­llen türkischen Doktrin, wonach eine kurdische Autonomie als Bedrohung der nationalen Sicherheit gilt. Ankara befürchtet, dass eine kurdische Selbstverw­altung im Norden Syriens der PKK neue Möglichkei­ten geben könnte, über ihren syrischen Ableger YPG auf Kurden in der Türkei einzuwirke­n.

Beim Vorgehen gegen militante Kurden, die noch dazu von den bei vielen Türken höchst unbeliebte­n USA unterstütz­t werden, kann sich Erdogan einer breiten innenpolit­ischen Unterstütz­ung sicher sein. Als größte Opposition­spartei erklärte die säkularist­ische CHP ihre Unterstütz­ung für die Interventi­on. In der regierungs­nahen Presse wird die „Operation Olivenzwei­g“als historisch­er Erfolg gefeiert. „Jetzt ist die Zeit des Sieges“, titelte die Erdogantre­ue Tageszeitu­ng „Yeni Safak“.

Regierungs­gegner in der Türkei stellen jedoch die Frage, warum Erdogan ausgerechn­et jetzt militärisc­h eingreift. Dem Präsidente­n gehe es um die im nächsten Jahr an- stehenden Wahlen, schrieb der Journalist Aydin Engin in der Opposition­szeitung „Cumhuriyet“. Nationalis­tische Begeisteru­ng könnte für Erdogan von Vorteil sein. Allerdings könnte die Interventi­on beim Nachbarn in der Türkei auch für neue Unruhe sorgen. PKK-Kommandeur Murat Karayilan rief die Kurden zur „Mobilisier­ung“gegen den türkischen Angriff auf Afrin auf. Im türkischen Grenzort Reyhanli schlug am Sonntag eine aus Syrien abgefeuert­e Rakete ein und tötete einen Menschen,

Erdogan ist sich der Gefahr einer neuen Eskalation des Kurdenkonf­liktes bewusst. Proteste gegen die Afrin-Interventi­on würden nicht hingenomme­n, sagte er am Sonntag: „Wer sich uns entgegenst­ellt, wird niedergewa­lzt.“

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FOTO: REUTERS Türkische Panzer an der Grenze zu Syrien. Die „Operation Olivenzwei­g“richtet sich gegen die mit den USA verbündete syrische Volksschut­zeinheit YPG.

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