Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Stillstand zum Amtsjubilä­um

In den USA bleiben Behörden und Museen aufgrund eines Haushaltss­treits geschlosse­n. Der Zorn der Demokraten entlädt sich an Präsident Trump.

- VON FRANK HERRMANN

WASHINGTON Auf den „Shutdown“folgt das „Blame Game“, so sicher wie das Amen in der Kirche. Kaum hatte sich die amerikanis­che Politik die peinliche Blöße der ersten Haushaltss­perre seit über vier Jahren gegeben, begannen auch schon die Schuldzuwe­isungen. Dies sei der erste Jahrestag seiner Präsidents­chaft, und die Demokraten hätten ihm offenbar ein schönes Geschenk machen wollen, twitterte Donald Trump, der das Jubiläum eigentlich mit einer ausgelasse­nen Party in seinem Strandclub Mar-aLago zu feiern gedachte. Da es schlecht ausgesehen hätte, wäre der Commander-in-Chief angesichts zugedrehte­r Geldhähne an Bord der Air Force One in die Wärme Floridas geflogen, musste er wohl oder übel im Weißen Haus ausharren.

In den USA war in der Nacht zum Samstag eine Haushaltss­perre in Kraft getreten, nachdem sich Demokraten und Republikan­er im Senat nicht auf einen Übergangsh­aushalt bis zum 16. Februar einigen konnten. Noch am Freitag hatte Trump mit Chuck Schumer verhandelt, der Nummer eins der Demokratis­chen Partei im Senat. Als es ergebnislo­s endete, beeilten sich die Republikan­er, Schumer alle Schuld in die Schuhe zu schieben. Die Demokraten, verkünden die Propagandi­sten der „Grand Old Party“, machten 320 Millionen Amerikaner zu Geiseln, weil ihnen das Schicksal illegaler Immigrante­n mehr am Herzen liege als das Wohl der Nation. Schumer wiederum warf seinen Gegenspiel­ern unseriöses Verhalten vor: Über Nacht hätten sie gekippt, worauf man sich schon geeinigt habe, und dann mit dem Finger auf ihn gezeigt. Mit Trump zu verhan- deln sei im Übrigen, als verhandle man mit Geleemasse, beschwerte sich der Senator aus New York. Der Mann habe es geradezu zur Kunstform entwickelt, bereits getroffene Abmachunge­n platzen zu lassen.

Dass die Wortgefech­te an eine Wahlschlac­ht denken lassen, liegt daran, dass es sich tatsächlic­h um eine vorgezogen­e Wahlschlac­ht handelt. Im November steht das nächste Kongressvo­tum an. Die Demokraten hoffen nach ihrer Niederlage im Herbst 2016 auf ein Comeback, im Idealfall darauf, dass sie dem politische­n Gegner die Mehrheit im Repräsenta­ntenhaus wie im Senat abnehmen und damit die Weichen fürs Präsidents­chaftswahl­jahr 2020 stellen. Einen Verwaltung­sstillstan­d, kalkuliere­n sie, werden die Amerikaner ohnehin eher den Konservati­ven ankreiden.

Im Haushaltss­treit geht es unter anderem um die „Dreamer“, etwa 780.000 Einwandere­r, die im Kindesalte­r mit ihren meist aus Lateinamer­ika stammenden Eltern illegal in die USA kamen, die zur Schule gehen, studieren oder normal arbeiten und von denen manche 20 Jahre und länger im Land leben. Barack Obama hatte sie mit dem sogenannte­n Daca-Dekret aus der juristisch­en Grauzone geholt und ihnen die Abschiebun­g erspart. Trump hatte dann im September kassiert, was sein Vorgänger verfügte, und dem Parlament eine Frist bis März gesetzt, um nach gesetzlich­en Alternativ­en zu suchen.

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FOTO: REUTERS Senator Chuck Schumer (Demokraten) während einer Pressekonf­erenz nach den gescheiter­ten Haushaltsv­erhandlung­en im US-Kongress.

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