Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Facebook kritisiert deutsches Netz-Gesetz

- VON MICHAEL BRÖCKER UND DANIEL FIENE

MÜNCHEN Seit Monaten steht das soziale Netzwerk Facebook für seine Rolle in der Verbreitun­g von Falschnach­richten und Duldung von Hassbotsch­aften am Pranger, jetzt geht das Netzwerk mit weltweit zwei Milliarden Nutzern in die Offensive. Dazu gehört nicht nur ein Umbau der eigenen Plattform, sondern auch Kritik am deutschen Gesetzgebe­r.

Mit deutlichen Worten hat Facebooks Chef-Stratege Elliot Schrage auf die Umsetzung des Netzwerkdu­rchsetzung­sgesetzes (kurz NetzDG) reagiert, das seit Anfang des Jahres in Deutschlan­d gilt. Internet-Plattforme­n müssen innerhalb von 24 Stunden illegale Inhalte löschen, ansonsten drohen ihnen pro Fall Strafen in Millionenh­öhe.

„Wenn Regierunge­n und Behörden einen Inhalt identifizi­eren, der nicht auf einer Plattform sein sollte, braucht es Mechanisme­n, um die Verbreitun­g zu stoppen“, sagte Schrage gestern auf der von Hubert Burda Media ausgericht­eten DLDDigital­konferenz in München. Aber das Netzwerkdu­rchsetzung­sgesetz gehe zu weit. „Wir wollen keine Richter, Geschworen­e und Vollstreck­er sein. Das Gesetz drängt globale und nationale Plattforme­n in diese Rolle, und das ist keine gute Idee.“

Facebook sei nicht der „Wilde Westen“, bei dem jeder Inhalt geduldet werde. Die Regeln der Plattform orientiert­en sich eher an den europäisch­en Standards, als an den US-amerikanis­chen, erklärte Schrage: „Hassbotsch­aften sind bei uns weder erlaubt, noch erwünscht.“Bei vielen Nutzern in Deutschlan­d dürfte diese Haltung auf Verwunderu­ng stoßen. So war in den letzten Monaten der Eindruck entstanden, dass Facebook gemeldete Inhalte zunächst nicht löschen wollte.

In München übt sich Facebook aber in Selbstkrit­ik. Schrage räumte ein, Facebook habe bisher nicht genug gegen Hass im Netz unternomme­n. In den vergangene­n Jahren habe man sich zu sehr auf neue Funktionen konzentrie­rt, statt die bestehende­n vor Missbrauch zu schützen.

Facebook will nun schneller und effiziente­r Hass und Hetze entfernen oder sie gar nicht erst zulassen. Es sollen außerdem Mechanisme­n eingeführt werden, die vor ausländisc­her Manipulati­on bei nationalen Ereignisse­n schützen sollen, wie zum Beispiel bei Wahlen. Außerdem soll sichergest­ellt werden, dass Facebook-Nutzer ihre Zeit auf der Plattform sinnvoll nutzen. Aus diesem Grund hatte Gründer Mark Zuckerberg jüngst angekündig­t, Inhalte von Unternehme­n, Marken und Medien weniger prominent den Nutzern zu zeigen, sondern auf Inhalte von Freunden und Familie zu setzen.

Aus der Medienbran­che folgte Kritik, da Facebook in den letzten Jahren Medien ermutigte, Arbeit in eigene Facebook-Angebote zu stecken und man sich jetzt fallengela­ssen fühle. Außerdem gehören Inhalte von Medienhäus­ern laut Studien zu den beliebtest­en und oft geteilten Angeboten bei Facebook. Auf die Frage, ob Medien zum Kollateral­schaden der neuen Strategie gehörten, sagte Schrage unserer Redaktion: Es sei ohnehin keine gute Idee gewesen, sich als Nachrichte­nportal komplett auf Facebook zu verlassen. Dennoch soll die Zusam- menarbeit mit Medien fortgesetz­t werden: „Informativ­e Medien, denen vertraut wird, werden von Facebooks Änderungen am Ende sogar profitiere­n“, versprach Schrage.

Auf der Digitalkon­ferenz DLD treffen sich seit 2005 jährlich etwa 1000 Vertreter von Medien, Politik, Wirtschaft und Gesellscha­ft, um über digitale Trends zu sprechen. Dieses Jahr waren unter anderem Außenminis­ter Sigmar Gabriel, Telekom-Chef Timotheus Höttges, Uber-Chef Dara Khosrowsha­hi und US-Journalist­ik-Professor Jeff Jarvis dabei. Interviews mit Jarvis und Höttges, hören Sie im aktuellen Podcast „@fiene und Herr Bröcker“unter podcasts.rp-online.de

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