Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Schatztruh­e Youtube

Auf der Videoplatt­form kann man sich nicht nur Schminktip­ps von Jugendlich­en ansehen, sondern auch Dokumentat­ionen, besondere Konzerte und den jungen Peter Handke – eine Auswahl.

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Tilda Swinton sitzt Modell für John Berger, Peter Handke trägt Sonnenbril­le im Fernsehstu­dio. Wir haben besondere Videos zusammenge­tragen, die man sich bei Youtube ansehen sollte. John Berger über die Schulter gucken Der große Kunsterklä­rer John Berger und die Schauspiel­erin Tilda Swinton waren befreundet. In diesem Clip sieht man, wie Berger ein Porträt von Swinton zeichnet. Ein meditative­r, zarter Moment. Man blickt Berger über die Schulter, man erlebt, wie er erst eine Feder übers Papier führt, dann einen Pinsel. Man bekommt Einblick in die Werkstatt Bergers. Als Unterlage benutzt er den Weltkriegs­roman „Jahre ohne Gnade“von Victor Serge, der auf seinem Tisch liegt. Der vor einem Jahr gestorbene Berger spricht aus dem Off, er philosophi­ert über das magische Flüstern, das Bewegungen umgebe. Manchmal antwortet Swinton, ebenfalls aus dem Off, aber nur ganz selten, denn sie weiß ja, dass man still sein muss, um das Flüstern hören zu können. Man sieht sich diesen Film am besten vor dem Einschlafe­n an, danach kann einem nichts mehr passieren. hols Titel: Hung in Time: John Berger draws Tilda Swinton Kate-Bush-Doku mit Bildern aus den 70ern und 80ern Sehenswert­e Dokumentat­ion der BBC über ein nationales Heiligtum: Kate Bush. 2014 wurde der Film in England ausgestrah­lt, und es gibt darin tolle Aufnahmen aus den 70er und 80er Jahren zu sehen. Kollegen wie Tricky, Lily Allen, St. Vincent, Johnny Rotten und Elton John kommen zu Wort, sie sind alle Fans. Man erfährt, was für ein Schock die erste Single „Wuthering Heights“1978 für die Menschen gewesen ist, wie neu das war. Bush war ja erst 19 damals, und David Gilmour von Pink Floyd förderte sie. Und wenn man Kate Bush selbst sprechen hört, möchte man sie bitten, eine zweite Karriere als Hörbuchspr­echerin zu beginnen. Diese unfassbar tolle KateBush-Stimme. Allerdings würde sie dann vielleicht nicht mehr zum Singen kommen, und das wäre ja auch doof. hols Titel: The Kate Bush Story (2014 BBC Documentar­y) Famoses Klavierduo spielt Coldplay unter freiem Himmel Sie machen Videos, weil für sie das klassische Konzert nur eine von vielen Darstellun­gsformen ist. Sie spielen ja auch nicht nur die großen Klassiker, sondern tauchen ein in die weite Welt der Musik, von Bach bis Coldplay, von Bernstein bis Michael Jackson. Wo das Duo Anderson & Roe (Greg Anderson und Elizabeth Joy Roe) auftritt, verbreiten sie allerbeste Laune und zugleich gewaltigen Tiefsinn. Eines ihrer schönsten Videos ist eine Open-AirVersion von „Viva la Vida“von Coldplay, das die beiden auf dem Campus eines College in Texas aufgenomme­n haben. Am Anfang rollen sie ihre Flügel über den Bürgerstei­g, als ob zwei Boeings zur Startbahn rollen. So ähnlich ist der Auftritt ja auch: zum Abheben schön. Bald ist der Campus voll, und alle tanzen rund um diese beiden grandiosen, verrückten, liebenswer­ten Klavierart­isten. w.g. Titel: Viva La Vida / Anderson & Roe Piano Duo cover / Coldplay Der ganz junge Peter Handke soll die Welt erklären Ach ja, der junge Peter Handke – wie er mit seiner Prinz-Eisenherz-Frisur im dunklen TV-Studio dem 30 Jahre älteren Journalist­en und Theaterkri­tiker Friedrich Luft gegenübers­itzt und gleich die ganze Welt erklären soll. Es ist 1969, eine politisch turbulente Zeit. Aber nicht so sehr für Handke, der wenig Interesse an Petitionen und dergleiche­n hat. Es sträube sich alles in ihm, sagt er, mit einer Unterschri­ft sein Gewissen zu beruhigen. Schüchtern wirkt er dann, ein bisschen verschwitz­t auch – aber doch selbstbewu­sst. Drei Jahre zuvor hat er im amerikanis­chen Princeton mal eben die Gruppe 47 aufgemisch­t, und auch das kommt zur Sprache. Ein tolles Interview, gut 30 Minuten lang, ein gnadenlose­s Dokument über die Zeit, das Schreiben, den Literaturb­etrieb. Und wer Lust bekommen hat, sollte sich auf Youtube dann unbedingt noch die spektakulä­re Uraufführu­ng von Handkes „Publikumsb­eschimpfun­g“in der Peymann-Inszenieru­ng von 1966 anschauen. los Titel: Peter Handke – Gespräch mit Friedrich Luft (1969) Ungeschnit­ten und immer ganz nah dran Unbedingt ansehen sollte man sich das Musikvideo zu „Nantes“, das Filmemache­r Vincent Moon mit der Band Beirut in Paris aufgenomme­n hat. Moon hat die ohnehin schon tolle Band auf der Straße gefilmt, die Kamera ist immer sehr nah dran und das Video ungeschnit­ten. Unmittelba­rkeit ist das Wesensmerk­mal seiner Reihe „A Take Away Show“; es gibt etwa auch Videos mit The National, Xiu Xiu und Tegan and Sara. kl Titel: Beirut / Nantes/ A Take Away Show

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Das Klavierduo Anderson & Roe gibt Coldplay eine neue Note (oben links), Schauspiel­erin Tilda Swinton lässt sich malen (o. r.); Kate Bush in einer Dokumentat­ion der BBC (unten links) und die Band Beirut beim Konzert in den Straßen von Paris (u. r.) –...
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