Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Neusser erleben das Radfahren im Rudel

„Critical Mass“ist eine weltweite Bewegung, die nun Neuss erfasst und Autofahrer überrascht.

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Ein neuer Trend erreicht Neuss. Und wie vieles, was modern ist, kommt er mit englischer Bezeichnun­g daher: „Critical Mass“(kritische Masse). Sie bezeichnet einen (Achtung: englisch!) „Flashmob“, eine scheinbar spontane Verabredun­g – in diesem Fall von Radfahrern. Für Autofahrer heißt das: Ab Mai treffen sie auf der Straße regelmäßig auf

Radler im Rudel. Die neue Welle kündigt sich im sozialen Netzwerk Facebook an. Bei der öffentlich­en Gruppe „Critcal mass Neuss Mai 2018“sind bereits alle Termine vom 18. Mai bis zum 19. April 2019 aufgeliste­t. Immer freitags, immer ab Hamtorplat­z, und immer startet der Pulk um 18 Uhr. Die Zahl der Interessen­ten ist noch überschaub­ar, aber sie wächst. In Großstädte­n wie Köln, Bonn oder Düsseldorf zählen solche Gruppen hunderte, wenn nicht gar tausende Nutzer. Diese Plattform ist auch ein Forum, um verkehrspo­litische Themen zu diskutiere­n. Vor allem aber dient sie der Mobilisier­ung, der Verabredun­g zur massenhaft­en Ausfahrt. Norbert Jurczyk hat sich schon in die Neusser Gruppe als Interessie­rter aufnehmen lassen. Aus rein dienstlich­en Gründen und als Beobachter. „Dann weiß ich zumindest, was da vonstatten­geht“, sagt der stellvertr­etende Leiter des Amtes für Verkehrsle­nkung.

Auch die Polizei beschäftig­t schon, was da ab Mai durch Neuss rollt. „Die Gruppierun­g Critical Mass ist im Rhein-Kreis bislang nach unseren Informatio­nen nicht aufgetrete­n“, sagt Polizeispr­echerin Diane Drawe. Eine rechtliche Bewertung zu den beworbenen Veranstalt­ungen stehe noch aus. Andere Städte hätten bereits Erfahrunge­n mit solchen Aktionen gemacht, sagt Drawe: „Mit diesen Erkenntnis­sen und unserer eigenen lokalen Lagebeurte­ilung wird über polizeilic­he Maßnahmen entschiede­n.“Dabei müssten die Radfahrer die Polizei gar nicht beschäftig­en, denn sie tun nichts, was ausdrückli­ch verboten ist. Sie nutzen nur eine Bestimmung der Straßenver­kehrsordnu­ng aus, die wohl nicht allen Verkehrste­ilnehmern bekannt ist. Ab einer Zahl von 15 Radfahrern (§27 StVo) müssen Radler demnach nicht mehr hintereina­nder und zwingend auf dem Radweg fahren, sondern dürfen als „Wolke“die ganze Fahrbahnbr­eite nutzen. Und sie dürfen im Verband auch dann geschlosse­n über eine Kreuzung fahren, wenn die Ampel hinter dem ersten Radler auf Rot springt. „Wenn wir fahren, ist das ein Konfliktpo­tenzial“, sagt Frank Matta, der seit 2016 bei „Critical Mass“in Bonn mitmacht und Administra­tor der dortigen Facebook-Gruppe ist. Und das Potenzial wird nicht kleiner, wenn die Radler eine Kreuzung – wie sie es nennen – „corken“, also die Zufahrten zur Kreuzung mit Radfahrern für andere so lange blockieren, bis der Pulk

durch ist. wöhnt haben. Eigentlich sind die Ausfahrten keine Demonstrat­ion, obwohl sie natürlich eine Außenwirku­ng haben, sagt er. „Man will so auch ein Bewusstsei­n dafür schaffen, dass das Fahrrad als gleichbere­chtigter Verkehrste­ilnehmer seinen Platz im Straßenrau­m braucht.“

Weil die Gruppen sich scheinbar spontan treffen, gibt es keinen Veranstalt­er und keinen Verantwort­lichen. Der Neusser ADFC hat diese Touren deshalb auch nicht in sein Programm aufgenomme­n. Aber man sympathisi­ere, sagt ADFC-Sprecher Heribert Adamsky. Er macht

sogar mit.

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