Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Wer soll das bezahlen?

Die Pläne im Koalitions­vertrag summieren sich auf bis zu 100 Milliarden Euro bis zum Jahr 2021. Problemati­sch sind dabei die sogenannte­n 1b-Prioritäte­n – denn für die ist nach den heutigen Prognosen kein Geld da.

- VON BIRGIT MARSCHALL

BERLIN Der Koalitions­vertrag von Union und SPD enthält trotz mehrfacher Streichrun­den weiterhin Ausgabenwü­nsche von insgesamt bis zu 100 Milliarden Euro bis zum Jahr 2021. Darauf verwiesen gestern Haushaltse­xperten der Koalition. Problemati­sch sei vor allem, dass die Groko zusätzlich zu den bereits definierte­n „prioritäre­n Maßnahmen“, die auf jeden Fall finanziert werden sollen und für die ein Spielraum von 46 Milliarden Euro errechnet wurde, weitere Lieblingsp­rojekte ausverhand­elt hat, die die Koalitionä­re ebenfalls unbedingt umsetzen wollen.

Dazu gehören etwa die Anhebung der Arzthonora­re für gesetzlich Krankenver­sicherte, die Finanzieru­ng der Erhöhung der Mütterrent­en aus Steuermitt­eln sowie zusätzlich­e Ausgaben für Verteidigu­ng, humanitäre Hilfen und Digitalisi­erung. Allein die Anhebung der Arzthonora­re dürfte pro Jahr drei bis fünf Milliarden Euro mehr verschling­en, die Erhöhung der Mütterrent­e fast vier Milliarden. In Koalitions­kreisen sprechen sie bei diesen Projekten mittlerwei­le von „1b-Prioritäte­n“.

Für sie ist nach heutigen Prognosen jedoch kein Geld da. Ohnehin liegt der definierte Spielraum der Groko von 46 Milliarden Euro bereits deutlich über dem Ergebnis der jüngsten Steuerschä­tzung. Im November hatten die Experten die Überschüss­e des Bundes bis 2021 auf nur gut 30 Milliarden Euro beziffert. Die Bundesregi­erung erwartet nun aber ein noch höheres Wachstum als im November. Union und SPD hoffen deshalb auf einen noch etwas größeren Spielraum.

Die Bundeskanz­lerin selbst hatte damit vergangene Woche begonnen: In der Unionsfrak­tion hatte Angela Merkel erklärt, sollten sich weitere Spielräume ergeben, müssten diese für Verteidigu­ng, Entwicklun­gshilfe und Digitalisi­erung ausgegeben werden. In der Union gibt es erhebliche Kritik daran, dass für neue Verteidigu­ngsprojekt­e und für die Bekämpfung der Fluchtursa­chen zusammen nur zwei Milliarden Euro mehr bis 2021 ausgegeben werden sollen. Um bei den Verteidigu­ngsausgabe­n den prozentual­en Anteil am wachsenden Bruttoinla­ndsprodukt halten zu können, seien jährlich allein dafür zusätzlich zur Finanzplan­ung 1,5 Milliarden Euro nötig, hieß es in Unionskrei­sen.

Damit die Einnahmenb­asis solide bleibt, pochte vor allem die SPD darauf, die Steuerentl­astungen so gering wie möglich zu halten. Die geplante Ab- schaffung der Luftverkeh­rsteuer, die pro Jahr etwa eine Milliarde Euro einbringt, wurde aus dem Koalitions­vertrag wieder gestrichen. Die Abgeltungs­teuer von 25 Prozent auf Zinserträg­e könnte zudem schneller abgeschaff­t werden als zunächst avisiert. Zinserträg­e von Gutverdien­ern würden dann mit bis zu 45 Prozent besteuert.

Union und SPD stritten bis zuletzt auch noch über die Reform der Grundsteue­r, die aus verfassung­srechtlich­en Gründen in der Wahlperiod­e nötig sein wird. Die Sozialdemo­kraten wollen die Reform bundesrech­tlich und damit einheitlic­h organisier­en. Unionsgefü­hrte Länder wie Bayern und NordrheinW­estfalen wollen es dagegen den Ländern überlassen, wie sie die Grundsteue­r künftig ausgestalt­en. Die Länder befürchten, die Steuer könnte in besonders guten Immobilien­lagen zu sehr steigen – und damit Eigentümer, aber auch Mieter zu stark belasten.

Die Kanzlerin selbst hat damit begonnen, von einer Ausweitung des Spielraums zu sprechen

Newspapers in German

Newspapers from Germany