Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

25 Menschen spurlos verschwund­en

Die meisten der im vergangene­n Jahr vermisst gemeldeten Personen waren Jugendlich­e.

- VON STEFANI GEILHAUSEN UND NICOLE LANGE

Sie würde in diesem Jahr 30 werden. Nächste Woche jährt sich der Tag, an dem sie für immer verwand, zum 22. Mal. Debbie Sassen, auf dem Heimweg von der Schule in Wersten wie vom Erdboden verschluck­t, ist einer von 25 bis 30 Menschen, die bei der Düsseldorf­er Polizei als „dauerhaft vermisst“gelten. Fälle, die nicht zu lösen sind, in denen es keinen Ansatzpunk­t für Ermittlung­en gibt. Schicksale, für die auch die Polizei keine Hoffnung mehr hat. „In diesen Fällen müssen wir davon ausgehen, dass die Personen nicht mehr lebend gefunden werden“, sagt Polizeispr­echerin Anja Kynast.

Auch der Fall des Oberhausen­ers Stefan K., der nach einer Weihnachts­feier in Düsseldorf Anfang Dezember verschwand, war so einer, in dem irgendwann keine Hoffnung mehr bestand. Zu Recht: Die Leiche des 35-Jährigen, der mutmaßlich im Hafen in den Rhein gestürzt ist, wurde vergangene Woche im holländisc­hen Nijmegen angespült. Weiter unklar ist das Schicksal von Jevgenijs K., 45, der seit 14. Dezember verschwund­en ist. Er könnte einfach nur ins Baltikum gereist sein, Gewissheit gibt es aber nicht.

Wird ein Kind vermisst, fährt bei der Polizei ein ganzer Apparat hoch. Suchhunde, Hubschraub­er, Wärmebildk­ameras. Meistens sind die Kleinen zum Glück wieder aufgetauch­t, noch bevor der Hubschraub­er abhebt. Im vorigen Jahr war das zwei Mal der Fall, Mädchen unter acht Jahren, deren Verschwind­en sich als harmlos herausgest­ellt hat. 1058 Vermissten­anzeigen hat die Polizei im vergangene­n Jahr insgesamt aufgenomme­n. Vier hatten den schlimmste­n aller Ausgänge: Drei Männer und eine Frau sind tot aufgefunde­n worden. Alle anderen 1 Am 13. Februar 1996 trat Debbie Sassen durch die Hintertür der Henri-Dunant-Schule in Düsseldorf Wersten und verschwand. kehrten wohlbehalt­en zurück – oder wurden, wie im Fall eines Rentners aus Ludenberg, in einem Krankenhau­s außerhalb Düsseldorf­s entdeckt. Laut Bundeskrim­inalamt erledigt sich bundesweit ungefähr die Hälfte der Vermissten­fälle innerhalb der ersten Woche, innerhalb eines Monats sind es mehr als 80 Prozent. Länger als ein Jahr vermisst würden nur etwa drei Prozent.

Am stärksten unter den Vermissten vertreten sind die 14- bis 17-Jährigen. 267 Jungs und 223 Mädchen 2 Die Polizei sucht den 45-jährigen Jevgenijs Korcukovs aus Gerresheim. Er soll am 20. November 2017 seine Wohnung verlassen haben. 3 Santo Sabatino betrieb das Restaurant Rosati in der Düsseldorf­er Innenstadt und ist seit Juli 2017 verschwund­en. dieser Altersgrup­pe sind im vergangene­n Jahr vermisst gemeldet worden. Die Zahl der sogenannte­n Dauerläufe­r, zumeist Jugendlich­e, die regelmäßig aus Heimen und ihren Elternhäus­ern ausbüxen und wieder zurückgebr­acht werden, ist darin nicht einmal enthalten. Unbegleite­te jugendlich­e Flüchtling­e sind ebenfalls regelmäßig unter den Vermissten, wie Polizeispr­echerin Kynast sagt. Diese verließen ihre zugewiesen­en Aufenthalt­sorte, um etwa zu Verwandten oder Freunden zu ziehen. Die Zahl sei in der Landeshaup­tstadt aber nicht signifikan­t hoch. Deutschlan­dweit war 2016 die Rede von rund 10.000 Fällen, von denen rund drei Viertel geklärt werden konnten.

Auch Senioren werden immer wieder vermisst. Bis heute nicht gefunden wurde etwa ein dementer Senior aus Unterrath, der im Mai 2013 aus einem Heim in Meerbusch-Strümp verschwund­en war.

Im vorigen Jahr suchte die Polizei 43 Männer und 35 Frauen. „Wir nehmen jede Meldung ernst“, sagt Kynast. „Aber nicht jeder Fall ist gleich.“Deshalb kann es sein, das die Fahnder mit unterschie­dlichem Aufwand suchen. „Wenn jemand suidzidgef­ährdet ist, dement ist oder auf Medikament­e angewiesen, dann versuchen wir natürlich alles“, sagt Kynast. Aber ein erwachsene­r Mensch, der weggeht, ohne sich abzumelden, will vielleicht auch einfach nicht gefunden werden. „Jeder hat das Recht dazu.“

Der Fall des prominente­n Düsseldorf­er Gastronome­n Santo Sabatino (u.a. „Rosati“), der am 20. Juli nachts sein Haus in Mülheim verließ und seitdem nicht wieder aufgetauch­t ist, gehört wohl nicht in diese Kategorie. In Sabatinos Fall vermuten viele aus seinem Umfeld ein Verbrechen. Die für die Ermittlung­en zuständige Essener Polizei hat nach Angaben eines Sprechers „bis heute keine heiße Spur“bei der Suche nach dem Gastronome­n. Selbstvers­tändlich sei die Akte aber nicht geschlosse­n, fügte er hinzu – das für Kapitalver­brechen zuständige Kommissari­at 11 sei mit der Sache befasst: „Wir hoffen weiterhin auf Hinweise.“

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QUELLE: POLIZEI DÜSSELDORF | FOTOS: A. BRETZ, H.-J. BAUER, POLIZEI DÜSSELDORF | GRAFIK: WYES
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