Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Kölle Helau
Für einen karnevalistischen Austausch besuchte ein Redakteur des „Kölner Stadt-Anzeiger“das jecke Düsseldorf, ein Redakteur der „Rheinischen Post“die närrische Domstadt. Hier berichtet der Düsseldorfer Thorsten Breitkopf aus Köln.
Köln ist anders. Das zeigt schon die Fahrt im Zug, also in einem echten Zug, nicht im Zoch, von Düsseldorf nach Deutz. Gut eine Woche vor den tollen Tagen am helllichten Tag im Lackschuh-Karnevals-Dress mit Narrenkappe – das erregt ein bisschen Aufsehen in der NRWHauptstadt. Vielleicht liegt es auch an der Dose Früh-Kölsch, die ich als Zeichen rheinischer Versöhnung (und zur Gewöhnung) bei mir trage. Am Düsseldorfer Hauptbahnhof wird man in etwa so angeguckt, als hätte man sie nicht mehr alle.
Das lässt mit jeder Haltestelle Richtung Dom nach. Nicht nur, dass den Kölnern so viele Tage vor Altweiber ein Kostümierter gar nicht auffällt – kurz hinter Leverkusen sind die Unverkleideten flugs in der Minderheit.
Köln ist anders. Das zeigt auch der Besuch der „Lachenden Köln-Arena“. Allein das Betreten lehrt den Düsseldorfer Demut. Weit mehr als 10.000 Menschen drängen sich auf den Rängen. Und das 13 Mal pro Session. In manchen Jahren kamen 200.000 Besucher – mehr als Krefeld Einwohner hat.
Ich erwarte eine brillante Begrüßungsrede eines mit Orden behängten Ober-Präsidenten. Doch es kommt ein älterer Herr im Frack auf die Bühne, dessen einzige Aufgabe es ist, Dutzende Vereinsnamen zu nuscheln, um dann frenetisch „Köllleeee“zu rufen, um dann ein gigantisches Echo aus der Arena zu erhal- Thorsten Breitkopf ten. Kein Witz, kein Aufwärmer, keine Tanzmariechen. Von einer Sekunde auf die andere ist die Karnevalsmaschine angesprungen. Im Sekundentakt ziehen Garden und Korps ein wie bei der Eröffnung der Olympischen Spiele. Nur dass es keinen Kommentator gibt, sondern nur den kleinen Mann der „Köllleee“ruft und nicht lange auf das durch die Arena rollende „Alaaf“der Massen warten muss. Das Dreigestirn, das ebenfalls auftritt, mögen Düsseldorfer für zu viel halten, doch fairerweise muss man sagen, dass Köln fast doppelt so groß ist wie Düsseldorf. Rein statistisch können sie es sich erlauben.
Dann kommt die zweite Überraschung. Denn in der „Lachenden Kölnarena“wird viel Musik geboten. Brings, Querbeat und Höhner (kenn ich schon aus der S-Bahn). Stimmung machen die, aber zum Lachen? Einen einzigen Redner gibt es. Und der ist auch nicht lustiger als der Stadionsprecher der Esprit Arena. „Schunkel-Grölende Kölnarena“wäre wohl der treffendere Name für diese Veranstaltung. Spaß macht sie trotzdem.
Endlich spricht mich auch eine junge Frau auf meine etlichen (schönen und schweren) Orden an. Die hat mir Düsseldorfs Ex-Prinz Rüdiger I., genannt „der Spritzenprinz“(weil er Orthopäde ist), nur ausgeliehen. Reine Protzerei. Sie bleibt die Einzige. Düsseldorfer Orden sind in Köln so viel wert wie venezoelanische Bolivar nach einer Hyperinflation. Und als ich der Frau sage, dass ich mich als Düsseldorfer inkognito bewege, entpuppen sich die Dame und meine ganze Sitzreihe als Nicht-Kölner. Nicht mal Imis, wie die nicht in Köln geborenen, aber dort lebenden genannt werden, sondern Fremde, aus Lindlar, Hürth, Bergisch Gladbach und Gummersbach. Das „Kölleee-Brüllen“beherrschen auch sie perfekt. Eine Eingemeindung der Herzen.
Köln ist anders. Immer wieder. Der nächste Gang führt zur ImmiSitzung. Dort sind die „Fremden“die Veranstalter. Die müssten also Verständnis für einen Düsseldorfer in Köln haben. Grundsätzlich stimmt das auch. Also dass die Präsidentin Brasilianerin ist und andere Akteure aus Ägypten, der Türkei oder sonst woher kommen, war mir schon bewusst. So wundert es mich auch nicht, dass mir ein freundlicher Mann vom Veranstalter bei einem Glas Kölsch erklärt, wie tolerant sie wirklich sind. Denn man habe sogar einen (er erhebt die Stimme) Düsseldorfer im Ensemble. Der heiße Robby Göllmann, würde aber nicht gesehen, weil er nur der Puppenspieler ist, und dürfte obendrein nur mit französischem Akzent sprechen. Aber sonst: sehr tolerant seien sie. Im Karneval ist dem Kölner Brasilien dann doch näher als die Landeshauptstadt.
Und anders als in der Lachenden Arena ist hier Lachen auch Programm, wenngleich auch nicht immer. Denn es geht sehr politisch zu. Vor allem sehr politisch korrekt. Der Besuch einer Düsseldorfer Herrensitzung würde die Mehrzahl der Besucher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit an den Rand der Empörung inklusive demonstrativem Verlassens des Saales bringen. Köln bleibt anders. Denn auch diese alternative Sitzung ist ein Geschäftsmodell. Mehr als 23 Mal pro Session wird das immer gleiche Programm dargeboten, nicht von Hobby-Narren, sondern von Profi-Schauspielern. Köln ist die Hauptstadt der Karnevals-Industrie. Alaaf! Der Autor Thorsten Breitkopf (40) ist Wirtschaftsredakteur, gebürtiger Bergischer und seit zehn Jahren Wahl-Düsseldorfer. Den Karneval erlebt er seit einigen Jahren als Senator der Prinzengarde Blau-Weiss. Stefan Worring (rechts, in blauer Jacke) wunderte sich in Düsseldorf über fehlende Kleiderordnungen bei Sitzungen und das kleine Gefolge des Prinzen und der gut behüteten Venetia. Aber in der Kneipe kam er in Stimmung.