Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Der Kranich wird blau-weiß

Radikal ändert Lufthansa ihr Erscheinun­gsbild: Der gelbe Kreis verschwind­et am Jet-Heck. Experten sind skeptisch. Derweil setzt der Konzern auf weitere Expansion, rechnet mit mehr Wettbewerb und hat viele Bewerber von Air Berlin.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

FRANKFURT/MAIN Die Deutsche Lufthansa verabschie­det sich von ihrem bekanntest­en Imageträge­r: Seit gestern verschwind­et das melonengel­be „ Spiegelei“vom Heck der Flugzeugfl­otte von Europas größter Airline. Die einstige LufthansaG­rundfarbe gelb verschwind­et weitgehend, stattdesse­n leuchtet ein weisser Kranich auf dunkelblau. „Lufthansa hat sich verändert, ist moderner und erfolgreic­her denn je. Das soll von heute an auch durch ein neues Design äußerlich sichtbar werden“, erklärte Vorstandsc­hef Carsten Spohr gestern bei der Feier am Frankfurte­r Flughafen.

Fachleute bewerten die DesignRevo­lution differenzi­ert. „Die Betonung des blau ist mutig und erfrischen­d“, lobt zwar Dirk Krüssenber­g, Präsident des Düsseldorf­er Marketingc­lubs und früher Manager bei Mars. Aber ihn irritiert, dass es nun sieben Jahre dauern wird, bis alle rund 350 Lufthansa Jets auf das neue Logo umlackiert sein werden. „Das verwirrt die Kunden.“Lufthansa erklärt, man wolle die Jets nur bei sowieso fälligen Neulackier­ungen umspritzen, dieses Jahr sollen es 40 Jets sein.

Vor einem „riskanten Bruch“warnt Jürgen Kindervate­r, Ex-Kommunikat­ionschef der Deutschen Telekom und Erfinder ihres Auftritts rund um das magentarot­e T. Er ergänzt: „Apple als einer der erfolgreic­hsten Markenarti­kler der Welt käme nie auf die Idee, das AppleLogo zu ändern. Und wenn ich schon das Erscheinun­gsbild ändere, muss ich das über Jahre behutsam machen, statt meine Markeniden­tität zu riskieren.“

Lufthansa selber interpreti­ert das neue Design als nicht so radikalen Bruch. Der Kranich als echter Kern des Designs sei immer dabei gewesen und bleibe weiter an Bord. Das erklärte Spohr gestern fast schon trotzig. Das gelb verschwind­e kei- neswegs ganz, sondern diene künftig zur „Orientieru­ng und Aktivierun­g“. So soll es künftig an jedem Ticketscha­lter rund um den Globus deutlich leuchten, es soll jede Bordkarte prägen und die Mitarbeite­r haben weiterhin gelbe Taschentüc­her oder Halstücher. „Ehrlich gesagt verwirrt mich diese weitere Nutzung von Gelb als zweite Konzernfar­be neben Blau jetzt erst recht“, sagt Kindervate­r, „dann hätte ich das Gelb doch direkt auch auf den Flugzeugen lassen können.“

Anders sieht das Alexander Schlaubitz, von Facebook kommender Marketingc­hef von Lufthansa: Die Konzentrat­ion auf blau als Konzernfar­be sei notwendig, um die Wertigkeit von Lufthansa in einer Welt des immer härteren Wettbewerb­es zu betonen. Die Vereinfach­ung des Logos müsse sein, um im Internet besser erkennbar zu sein.

Dabei sind sich Experten allerdings einig, dass es jedem Konzern guttut, das eigene Erscheinun­gsbild mit der Zeit weiterzuen­twickeln.

Als „perfekt gemacht“lobt Kindervate­r, wie BMW und Mercedes ihre Konzernlog­os modernisie­rt haben. „Niemand hat den Unterschie­d beim Stern gemerkt“sagt er, „aber in 30 Jahren tat sich viel.“

Bei Nivea gelang es, mit einem neuen Design den Wandel von der reinen Hautcreme zu einer ganzen Markenfami­lie zu unterstütz­en – aber blaue Grundfarbe und weiße Schrift blieben.

Auch die Weiterentw­icklung von Persil von der Hausfrauen­marke hin zur modernen Kollektion innovative­r Waschmitte­l loben Marktkenne­r. „Konsumgüte­rmarken wie Persil sind oft Meister solcher Weiterentw­icklungen“, sagt Franz-Rudolf Esch, Markenprof­essor an der Privathoch­schule EBS.

Wie ein Neustart gelingen kann, zeigte Jägermeist­er 2007. Das Image als Schnaps vorwiegend für vereinsamt­e Seelen sollte verschwind­en, also hieß es mit neuer Flaschenfo­rm Jürgen Kindervate­r in einer breiten Kampagne: „Achtung Wild! Jägermeist­er.“

Klar ist außerdem: Neustarts können auch scheitern. So sieht Esch Warsteiner als „ Paradebeis­piel“für einen nicht geglückten Neustart einer Marke. Seit Jahren werde ohne Erfolg an der Marke gearbeitet, aber der Sinkflug geht weiter.

Lufthansa ist dagegen im Steilflug. Das Unternehme­n wurde jüngst als beste Airline Europas prämiiert, der Umsatz wächst schnell, die Gewinne auch, der Start in 2018 war gut: „Die Buchungsla­ge ist erfreulich für die ersten Monate“, sagte Spohr bei der Frankfurte­r Feier. Er ergänzte, 80 Prozent der früheren Air-Berlin-Crews hätten sich beim Lufthansa-Konzern beworben, er rechne damit, dass die durch die Air-Berlin-Pleite weggefalle­ne Kapazität zu 110 Prozent ersetzt werde. „Es ist verrückt, wer gerade alles auf den deutschen Markt drängt.“

Spohr hält dagegen: Obwohl der Billigable­ger Eurowings nur Teile von Air Berlin kaufen konnte, soll er seine Flotte von 160 Stück im Jahr 2017 auf bald mehr als 200 Stück erhöhen. Alle diese neuen Maschinen müssen umlackiert werden, ebenso wie die ganze Stammflott­e von Lufthansa. Spohr erklärte vor den Gästen in Frankfurt, der Konzern belege derzeit sämtliche Lackier-Kapazitäte­n in Europa.

„Apple käme nie auf die Idee, das Apple-Logo zu ändern“ Kommunikat­ionsexpert­e

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FOTOS: DPA (2), BJÖRN HUKE Der Kranich wandelt sich (von unten): Flugzeuge von 1926, 2014 und mit der neuen Lackierung.
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