Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Seine Musik klingt, wie solide produziert­e Tanzmusik heute klingt, ein Püree aus Pop, Rap, Elektro

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bei Youtube hochgelade­n, bis ihn Manager und Plattenfir­ma entdeckten. Doch Singer hat es bis dorthin nicht im Alleingang geschafft. Es ist wichtig, diese Geschichte zu erzählen, weil Disziplin, Stimme und Authentizi­tät eben nicht reichen.

Mike Singer erhielt früh Hilfe von einem Mann, der nicht an eine schnelle Karriere dachte, sondern in ihm ein Talent sah, das er fördern wollte. Dieser Mann heißt Vichy Ra- tey. Fragt man Singer, welche Rolle Ratey in seiner Entwicklun­g gespielt hat, möchte Singer sich dazu nicht äußern. Ratey hingegen möchte.

Der 55-Jährige macht Jugendarbe­it mit Musik in Singers Heimatstad­t. Ratey war bei den Wiener Sängerknab­en, hat in den 90ern zwei Nachwuchsp­reise von MTV gewonnen und seit Jahrzehnte­n ein Studio in seinem Haus. Eines Tages steht da dieser Zwölfjähri­ge vor ihm, und er möchte ihm etwas vorsingen. „Als er mir vorsang, habe ich gemerkt: Da ist was da“, sagt Ratey.

An diesem Tag beginnt eine dreijährig­e Zusammenar­beit, während der sie mehr als 20 Songs aufnehmen, eigene und Cover, in denen Mike über Liebe singt, als habe er sie bereits erlebt („Would you stay with me tonight?“), sie machen sogar eine Platte zusammen, Singers eigentlich­es Debütalbum. Videos nehmen sie auch auf. Mike übt schon die große Geste, die Hand zum Herz. Wohin mit den Füßen, das weiß er noch nicht so genau. Ratey schenkt ihm auch sein erstes Keyboard. 2012 schlägt er Mike vor, einen Youtube-Kanal einzuricht­en, so erzählt Ratey. Der Kanal ist noch keine zwei Jahre alt, da hat er eine Million Klicks gesammelt. 2013 nimmt Singer an „The Voice Kids“teil, kommt ein paar Runden weiter.

Bei einem der Videodrehs lernt Mike einen Youtuber kennen. Dessen Manager heißt Ossama el Bourno. Der Kölner hat lange in Immobilien gemacht, ist dann auf Betreuung aufstreben­der Stars umgestiege­n und nimmt später den 15-jährigen Mike unter Vertrag. Kurze Zeit später beenden Ratey und Singer ihre Zusammenar­beit, weil die durch den Vertrag schwierig wird und Ratey das Gefühl hat, nicht mehr der Richtige zu sein. Bald ist nur noch neues Material auf Singers Youtube-Kanal zu finden, Rateys Videos verschwind­en. Auch auf Singers Instagram-Kanal gibt es heute nur noch ein Foto, das vor 2015 gepostet wurde. Die neuen Fotos und Videos in der Optik eines H&MSpots zeigen einen anderen Mike. Cool ist er, nicht tapsig. Steht hochdramat­isch an Gewässern oder auf Gebäuden.

Ratey nimmt Singer die Entwicklun­g nicht übel. Eher klingt er wie jemand, der sich Sorgen macht, ob Singers Entwicklun­g die richtige ist. „Ich hoffe, er hat einen guten Plan für die Zeit danach, wenn seine Fans erwachsen geworden sind – damit es keine harte Landung wird.“

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