Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Ein Neusser war der stärkste Mann der Welt

In seiner Heimatstad­t erinnert nicht nur eine Straße an Ringer-Weltmeiste­r Jakob Koch, dessen Todestag sich am Montag zum 100. Mal jährt.

- VON VOLKER KOCH

NEUSS Horst Faller ist überzeugt: „Keiner weiß so viel über Jakob Koch wie ich.“Angesichts der umfangreic­hen Sammlung, die der 71Jährige über den einstmals stärksten Mann der Welt zusammen getragen hat, ist ihm kaum zu widersprec­hen. Vor einem Jahrhunder­t sah das anders aus. „Es lebe der Ruhm“, notierte der damals überaus populäre Berliner Humorist Otto Reutter in einem seiner Aphorismen, „bei der breiten Volksmasse ist der Ringkämpfe­r Koch viel bekannter als der Gelehrte gleichen Namens.“Und der hatte 1905 den Nobelpreis für Medizin erhalten.

Für Horst Faller steht fest: „Jakob Koch war zu seinen aktiven Zeiten der bekanntest­e Sportler Deutschlan­ds, wenn nicht der Welt.“Seinen Ruhm begründete der am 12. April 1870 in Neuss im Haus D 137 am Glockhamme­r als Sohn des Korbmacher­meisters Michael Koch Geborene mit seinen Weltmeiste­rtiteln im Schwergewi­chts-Ringen, die er 1902 in London und zwei Jahre später in Berlin gewann. Hinzu kamen drei Vize-Weltmeiste­rschaften und zwei Titel als Europameis­ter.

Es war eine Zeit, in der Ringer Aufmerksam­keit und Gagen genossen, wie sie heute ( umgerechne­t) höchstens Profi-Fußballern zufallen. Seine Auftritte im Berliner Wintergart­en ließ sich Jakob Koch mit einer Monatsgage von 10.000 Mark honorieren. „Als er seine aktive Karriere beendete, war er ein wohlhabend­er Mann, sowohl nach damaligen als auch nach heutigen Maßstäben“, sagt Horst Faller.

Wohlstand, den Jakob Koch freilich nicht lange genießen konnte. Aus seiner Wahlheimat – „ich liebe und schätze wie kaum eine andere Stadt das schöne Berlin“– kehrte er mit seiner Ehefrau Helene (geb. Bernitt), die er am 15. Dezember 1910 geheiratet hatte, zurück nach Neuss. Dort erwarb er ein Haus an der Schwannstr­aße, wollte fortan als Kaufmann tätig sein und dabei sicher auch von seinem nicht unbeträcht­lichen Ruhm profitiere­n.

Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs durchkreuz­te diese Pläne. Als Landsturmm­ann zog er in den Krieg, mit angegriffe­ner Gesundheit kam der einstige Modellathl­et, der bei einer Körpergröß­e von 180 Zentimeter stolze 100 Kilogramm auf die Waage gebracht hatte, zurück. Am 19. Februar 1918, am Montag auf den Tag genau vor einhundert Jahren, starb Jakob Koch – der „berühmtest­e Ringer Deutschlan­ds“, wie das „Neuigkeits-Welt-Blatt“in seinem Nachruf in der Ausgabe vom 3. März 1918 schrieb, wurde nicht einmal 48 Jahre alt. Über die Todesursac­he wird bis heute gerätselt: Herzleiden, schreiben die einen, innere Krankheite­n, die anderen, allgemeine Auszehrung die dritten.

Auch Koch-Forscher Horst Faller weiß es nicht genau. Seine Vermutung: „Zu dieser Zeit herrschte in ganz Europa die Spanische Grippe, riss Millionen von durch den Krieg geschwächt­en Menschen in den Tod. Das wird wohl auch bei Jakob Koch der Fall gewesen sein.“Auf seinem Grabstein, der das Familiengr­ab auf dem Hauptfried­hof an der Rheydter Straße ziert, heißt es denn auch: „Verletzt an Leib und Seele im 1. Weltkrieg.“. Horst Faller besucht es regelmäßig, wird sicher auch am Montag dorthin pilgern.

Nicht die einzige Erinnerung­sstätte für einen großen Sohn der Stadt, der in der Heimat aber nie die Anerkennun­g genoss, die ihm weltweit zuteil wurde: „Jakob Koch hat die Neusser begeistert wie keiner vor oder nach ihm. Trotzdem blieb ihm der Wunsch versagt, Neusser Schützenkö­nig zu werden. Es mag 1900 oder 1901 gewesen sein, Kobes kam von seinem damaligen Wohnsitz Berlin nach Neuss, um als guter Neusser das Schützenfe­st mitzufreie­rn. Im Schützenze­lt brachte er seinen Wunsch vor, aber er wurde nicht zum Schuss auf den Königsvoge­l zugelassen, weil er seinen Wohnsitz nicht mehr in Neuss hatte“, schreibt die NGZ vom 4. Januar 1950.

Faller ließ die „Casa Koch“trotzdem nicht ruhen. Die Gedenkplak­ette im Eingangsbe­reich der Stadionhal­le erschien ihm zu mickrig, um das Andenken des Ex-Weltmeiste­rs zu wahren. Sechs Jahre kämpfte er dafür, eine Straße nach Jakob Koch zu benennen, am 24. September 2009 wurde die Carl-Diem-Straße, die an der Eissportha­lle vorbei durch den Südpark führt, in JakobKoch-Straße umbenannt.

Mehr als ein halbes Jahrhunder­t hat sich Faller mit der Lebensgesc­hichte des einstmals „stärksten Mannes der Welt“beschäftig­t. Seine Sammlung, vielfach durch Käufe bei e-bay zustande gekommen, will er dem in Sachen Sporthisto­rie (noch) nicht sehr reich bestückten Stadtarchi­v vermachen. Wie es anfing mit seiner Leidenscha­ft, weiß der internatio­nal hoch dekorierte Kampfricht­er noch genau: „Als ich meine ersten Ringkämpfe für den KSK Konkordia bestritt, saßen rings um die Matte nur alte Männer. Und die redeten ständig vom ’Kochse Köbes’. Da wollte ich doch wissen, um wen es ging.“Dass er zu jener Mannschaft des Kraftsport­klubs gehörte, die vor genau 50 Jahren das erste „Jakob-Koch-Turnier“gewann, passt da genau ins Bild.

 ?? FOTOS: ARCHIV/FALLER/-WOI ?? Ein Mann wie aus dem Bilderbuch: Jakob Koch zu seinen besten Zeiten, als er zwei Mal Weltmeiste­r im Schwergewi­cht wurde (r.). Die Illustrier­te Athletik-Sportzeitu­ng widmete ihm am 10. November 1906 ihre gesamte Titelseite, Koch selbst schrieb ein...
FOTOS: ARCHIV/FALLER/-WOI Ein Mann wie aus dem Bilderbuch: Jakob Koch zu seinen besten Zeiten, als er zwei Mal Weltmeiste­r im Schwergewi­cht wurde (r.). Die Illustrier­te Athletik-Sportzeitu­ng widmete ihm am 10. November 1906 ihre gesamte Titelseite, Koch selbst schrieb ein...
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ?? Gedenkplak­ette im Jahnstadio­n.
Gedenkplak­ette im Jahnstadio­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany