Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Konkurrenz im Geschäft mit der Armut

Die Düsseldorf­er Diakonie will mit einem „Fairhaus“in Neuss Fuß fassen. Die Sozialverb­ände vor Ort fürchten einen Verdrängun­gswettbewe­rb in einem ohnehin schon engen Markt. Es geht um Spenden, Käufer und Köpfe.

- VON CHRISTOPH KLEINAU

NEUSS Sozial, ökologisch, integrativ: Mit diesen drei Adjektiven umreißt das „Fairhaus“sein Profil. „Expansiv“könnte man noch hinzunehme­n. Denn die Sozial-Warenhausk­ette der Renatec, einem 100-prozentige­n Tochterunt­ernehmen der Diakonie Düsseldorf, versucht nun in Neuss zu landen. Am 22. März soll im Haus Oberstraße 97, vis-a-vis zum Landesthea­ter, in einer 1-ALage die dann neunte Fairhaus-Filiale eröffnen. Die Sozialverb­ände vor Ort sehen das gar nicht gerne. Es ärgere sie, sagt Rebecca Schuh von der Neusser Tafel, dass „sich viele mit dem Deckmäntel­chen der Mildtätigk­eit“kleiden – wo es doch ums Geschäft geht.

Dieses Geschäft lebt vom Überfluss der einen – und der Armut anderer. Die Caritas erkannte als erste die Aufgabe aber auch die Chance, mit ihrem Sozialkauf­haus an der Schulstraß­e Mittler zwischen beiden Gruppen zu sein und Dinge weiter nutzbar zu halten und Bedürftige­n zugänglich zu machen, die sonst wahrschein­lich auf dem Müll gelandet wären. Das DRK folgte mit seinem Second-Hand-Laden an der Friedrichs­traße, die Tafel mit ihrem Shop an der Düsseldorf­er Straße. Und nun erreicht dieses Geschäftsf­eld mit dem „Fairhaus“den Hauptstraß­enzug. „Danach können sicher einige Anbieter die Schotten dicht machen“, sagt Schuh voraus.

Diese Anbieter konkurrier­en künftig auf unterschie­dlichen Ebenen miteinande­r. Alle hängen mehr oder weniger von Sachspende­n ab, die ihnen Privatpers­onen zukommen lassen. Für das „Fairhaus“bilden diese Spenden allerdings nur eine von drei Säulen, sagt RenatecBet­riebsleite­r Michael Wirtz. Firmenspen­den – zum Teil mit leichten Fehlern, die im Betrieb aufgearbei­tet werden – und aufgekauft­e Restposten kämen hinzu, sagt er.

Caritasdir­ektor Norbert Kallen vermutete aber auch einen Konkurrenz­kampf um Köpfe. Hauptziel des Caritas-Kaufhauses sei es nicht, mit der Bedürftigk­eit ein Geschäft zu machen, sondern „Arbeitsplä­tze für Menschen einzuricht­en, die abgehängt wurden.“Sie sollen durch dieses Arbeitstra­ining, bei dem die Caritas Partner von Jobcenter wie auch vom Rhein-Kreis ist, wieder an den ersten Arbeitsmar­kt herangefüh­rt werden. „Da muss man sich schon fragen“, sagt Kallen, „warum sich ein weiteres Sozialkauf­haus mit ähnlichen Ansprüchen da etablieren will?“

DRK-Geschäftsf­ührer Marc Dietrich findet es ärgerlich, „wenn sich auf einem eh schon engen Markt zu viele Akteure tummeln“. Und das hat auch mit den Erlösen zu tun. Er geht zwar nicht so weit wie Schuh, die sich Gebietsabs­prachen wünschen würde, fände es aber schön, wenn lokale Initiative­n einen kleinen Vorteil genießen. „Wir lassen das Geld ja auch in der Region“, sagt er, denn der Erlös fließe in Beratungs- und Förderange­bote vor Ort.

Diakonie-Vorstand Christoph Havers betont, dass das „Fairhaus“nicht auf Einladung nach Neuss kommt. „Man hat mit uns gesprochen, als es schon entschiede­n war“, sagt Havers – allerdings ohne Groll. „Wir selbst wollten dieses Geschäftsf­eld nicht besetzen.“

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ARCHIV: WOI Thilo Hartmann und seine Kollegen im CaritasSoz­ialkaufhau­s bekommen jetzt Konkurrenz aus Düsseldorf. Das „Fairhaus“kommt.

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