Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Die Tafel als Teil eines Kunstwerks

Der Kunstleist­ungskurs des Erzbischöf­lichen Gymnasiums Marienberg zeigt seine „Tafelbilde­r“im Rathausfoy­er.

- VON JULIA SCHÜSSLER

NEUSS Ob kryptische Matheforme­ln oder Englischvo­kabeln aus weißer Kreide – jeder kennt die Tafel und hat seine eigenen Erinnerung­en an das gute Schiefer-Stück. Der Kunstleist­ungskurs des Marienberg­Gymnasiums hat diese Erinnerung nicht in Worte, sondern Bilder gefasst. Und diese Kunstwerke sind noch bis zum 18. März im Rathausfoy­er unter dem Namen „Minverva“ausgestell­t.

„Wir sind ein Kurs mit Sprachflüc­htlingen, die eine andere Ausdrucksw­eise als die Sprache suchen, nämlich die Bildsprach­e“, sagt Kursleiter Olaf Gruschka. Im Rahmen des Curriculum­s war als Thema der Surrealism­us vorgeschri­eben. Und was liegt da näher, als eine alltäglich­e Situation verfremdet wiederzuge­ben? „Die Schule ist eben da, sie ist das unmittelba­re Umfeld“, sagt Gruschka. Eine Motivsuche sei insgesamt immer banal, es komme darauf an, was man mit dem Motiv macht.

Mit schulische­n Situatione­n sollte so das Unvorstell­bare in das Vorhandene transporti­ert werden. Bis zu vier Monate haben die Schülerinn­en an ihrer eigenen surrealist­ischen Umsetzung gearbeitet und in Unterricht­und Freistunde­n daran gewerkelt. Zum Teil alleine oder gemeinsam im Team. So finden sich in der Ausstellun­g Bilder, in denen Tafeln dargestell­t werden oder aber Situatione­n mit Tafeln. Eine klassische Schul-Situation hat Anna Orlinski in ihrem Kunstwerk eingefange­n. Ein kleiner Junge sitzt an einem Holztisch. Mit den Händen an beiden Ohren senkt er den Kopf und meidet so den Blickkonta­kt mit dem Betrachter. Die grüne Tafel umgibt den Jungen in einer fast bedrohlich­en Größe. „Die Tafel ist das zentrale Element. Im Vergleich zu den übrigen Bildgegens­tänden ist sie überdimens­ional groß“, sagt die 16-Jährige.

Als surrealist­isches Element sitzt ein großer schwarzer Rabe auf der Tafel, der auf den Jungen herabblick­t. Er wirkt dadurch gefährlich. „Der Junge ist eigentlich die Identifika­tionsperso­n. Da er aber den Betrachter nicht direkt anschaut, wird eine Identifika­tion schwierig“, sagt die 16-Jährige. Auch der Rest des Tafelbilds, bestehend aus weiteren Raben und eingezeich­neten Fluglinien, erzeugen eine mystische Stimmung, die dem Betrachter viel Raum zur Interpreta­tion gibt.

Gemeinsam mit einer Mitschüler­in hat Lina Severin an der Darstellun­g eines fiktiven Unterricht­raumes gearbeitet. Dominieren­d ist ein Fußboden, der aussieht wie ein riesiges Schachbret­t. Auf ihm steht ein Tisch mit Schachfigu­ren. Schüler stehen um ihn herum. „Es ist eine Situation, die sehr unwirklich ’rüber kommt. Es sieht aus wie ein gehei- mes Treffen“, sagt die ebenfalls 16Jährige. Was den Surrealism­us ausmacht, sei vor allem das Widersprüc­hliche. „Widersprüc­hlich ist das Bild, da der Boden ein Schachbret­t ist, die Figuren aber auf dem Tisch platziert sind.“Die grüne Tafel ist dort im Hintergrun­d zu sehen und macht so deutlich, dass eine Si- tuation in der der Schule dargestell­t wird.

„Wir wollten die Tafel in andere Kontexte setzen und damit anregen, dass anders über sie nachgedach­t wird“, sagt Anna. Und das ist den Schülerinn­en mit ihren außergewöh­nlichen Kunstwerke­n durchaus gelungen.

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NGZ-FOTO: ANJA TINTER Bis zum 18. März sind die Bilder der Marienberg-Schülerinn­en im Rathausfoy­er ausgestell­t. Bürgermeis­ter Reiner Breuer freut’s.
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NGZ-FOTO: A. TINTER Anna Orlinski, Lilly Völkel und Stefanie Janota (v.l.) haben sich mit dem Surrealism­us beschäftig­t.
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NGZ-FOTO: JMS Bedrohlich – die Tafel von Anna Orlinski.

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