Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Ein perfektes Streichers­piel

Die Kammerakad­emie unter Isabelle van Keulen spielte im Zeughaus.

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NEUSS (Nima) Die Deutsche Kammerakad­emie Neuss (DKN) schreibt in dieser Saison eine grandiose Erfolgsges­chichte, denn auch das dritte Abokonzert als Matinee war restlos ausverkauf­t. Damit hatte man wohl nicht gerechnet, denn zu Beginn mussten erst Stühle gestellt werden. Die Leitung hatte Isabelle van Keulen, die in dieser und der nächsten Saison auch als „Artist in Residence“den künstleris­chen Weg des Orchesters bestimmt. Sie dirigierte und spielte Mozarts großartige Auseinande­rsetzung mit der Polyphonie Händels und Bachs, dem „Adagio und Fuge für Streicher cMoll“.

Das Werk, das Mozart zunächst für zwei Klaviere geschriebe­n hatte, hört man meist im Streichqua­rtett. Weitaus genussvoll­er war aber die chorische Interpreta­tion durch die DKN, besonders in der vierstimmi­gen Fuge. Der mächtige Bass – vier Violoncell­i und drei Kontrabäss­e – stellten das Thema vor, dann zelebriere­n alle Streicher filigran den tiefen poetischen Gehalt in überragend­em Zusammensp­iel.

Im zweiten Werk des Vormittags stellte sich die gefeierte Geigerin van Keulen als Solistin vor: Felix Mendelssoh­n hat als 13-Jähriger im Berliner Elternhaus sein erstes „Violinkonz­ert d-Moll“(1822) geschriebe­n. Das Jugendwerk verwarf er später, der Geiger Yehudi Menuhin (1916 – 1999) hat es dem Konzertleb­en zugänglich gemacht. Zum Glück, denn Isabelle van Keulen verstrahlt­e im Andante Mendelssoh­nschen Klangzaube­r und brillierte im finalen Gavotte-Rondo mit expressiv kadenziere­nder Soloviolin­e im Kontrast zum Tutti. Sehr einverstan­den war sie mit der vollkommen sicheren DKN-Begleitung, sie applaudier­te dem Orchester wiederholt und herzlich.

Yehudi Menuhin sagte einmal: „Die Musik spricht für sich allein. Vorausgese­tzt, wir geben ihr eine Chance.“Das Neusser Publikum steht für Offenheit, und so war es keineswegs riskant, die „Trauermusi­k für Streichorc­hester (à la mémoire de Béla Bartók)“zur Aufführung zu bringen. Der polnische Komponist Witold Lutoslawsk­i (1913– 1994) hat in diesem Werk von 1958 die Zwölftonte­chnik für seinen persönlich­en Stil gewonnen. Hilfreich war auch, dass Isabelle van Keulen eine kurze Einführung gab.

Ein „vergnüglic­hes Hören“wünschte sie auch für die populäre „Serenade für Streicher E-Dur“(op. 22) von Antonín Dvorák, und: „Sie werden die ein oder andere Stelle nicht erkennen.“Denn die DKN spielte eine neue Urtext-Ausgabe. So oder so: Die sinnliche Intensität, mit der die DKN nicht nur das warmtimbri­erte Larghetto des fünfsätzig­en Werkes spielte, entließ ein vollkommen beglücktes Publikum in den Tag.

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