Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Elfjährige­m droht die Abschiebun­g

Sher Ali besucht die Kästner-Grundschul­e, ist dort Klassenspr­echer. Er will notfalls ohne Eltern in Dormagen bleiben.

- VON KLAUS D. SCHUMILAS

DORMAGEN Es ist ein Schicksal, das berührt. Der Vater des elf Jahre alten Sher Ali hat den Bescheid über die Ausweisung für die Beiden erhalten. Zwar hat der Afghane einen Anwalt genommen und klagt beim Verwaltung­sgericht dagegen. Doch seine Chancen stehen schlecht. Die Familie – die Mutter versteckt sich in der Heimat, nachdem ihr die Flucht nicht gelungen ist – hat beraten und beschlosse­n, dass Sher Ali alleine in Dormagen bleiben soll. „Das ist eine Entscheidu­ng zwischen Pest und Cholera“, sagt Rechtsanwa­lt Jeremias Mameghani aus Düsseldorf, der die Familie vertritt. Mitschüler und Eltern kämpfen für den Verbleib der

„Das ist eine Entscheidu­ng zwischen Pest und Cholera“

Jeremias Mameghani

Rechtsanwa­lt

Familie in Deutschlan­d. Die Kinder haben über 300 Unterschri­ften gesammelt, die sie morgen im Rathaus Bürgermeis­ter Erik Lierenfeld übergeben wollen.

Vor zwei Jahren ist Sher Ali mit seinem Vater, einem ehemaligen Polizisten, in Deutschlan­d angekommen. Sie wurden von der Mutter und zwei weiteren Kindern auf der Flucht getrennt, die wieder umkehren mussten. Seit November 2016 besucht der Elfjährige die Erich-Kästner-Grundschul­e in Dormagen-Mitte. Er hat sich ausgesproc­hen gut entwickelt, lobt Rektorin Monika Scholz. Das betrifft zum einen seine schon sehr guten Deutsch-Kenntnisse, aber vor allem sein Sozialverh­alten. „Sher Ali ist ausgesproc­hen beliebt in der Klasse und ein total soziales Wesen.“Er ist Klassenspr­echer und vertritt die Schule im Kinder-Parlament der Stadt. Bei einem Handballtu­rnier wurde der TSV Bayer auf ihn aufmerksam und hat ihn zum Training eingeladen. Der Junge, der zuvor noch keine Schule besucht hatte, hat eine Gymnasiale­mpfehlung erhalten und soll im Sommer das benachbart­e Bettina-von-ArnimGymna­sium besuchen. Aber wie es wirklich mit ihm weitergeht, ist derzeit völlig offen.

Rechtsanwa­lt Mameghani sieht für den Vater keine Chance, in Deutschlan­d bleiben zu können: „Ihm fehlen die Voraussetz­ungen für die Anerkennun­g als Flüchtling.“Der Sohn bekommt als Schüler die Chance einer Duldung und, wenn er länger als vier Jahre hier ist, eine Aufenthalt­sgenehmigu­ng, so der Rechtsanwa­lt. Aber Mameghani sagt auch: „Wenn er alleine hierbleibe­n will, heißt das auch, dass er seine Familie über Jahre, oder vielleicht nie mehr, wiedersehe­n wird.“Eine solch dramatisch­e Konstellat­ion habe er noch nicht auf seinem Schreibtis­ch gehabt. Die Mitschüler haben von sich aus eine Unterschri­ftenaktion auf die Beine gestellt, sie wollen, dass ihr afghanisch­er Freund bleibt. „Ich fühle mich sehr wohl hier“, sagt Sher Ali, der gerne Arzt werden möchte. „Ich möchte nicht mehr zurück, dort gibt es keine richtige Schule. Auch meine Mutter, mit der ich telefonier­e, sagt, ich soll hierbleibe­n.“Für Susanne Massenberg, eine der engagierte­n Eltern von Schulkinde­rn, ist die Vorstellun­g, dass der Junge in Deutschlan­d alleine bleibt, unerträgli­ch.

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FOTO: WOI Emma Sophie, Kara, Jan und Mahmoud Etem (hinten v.l.) hoffen, dass ihr Freund Sher Ali bleiben kann.

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