Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

IS-Prozess hinter verschloss­enen Türen

Ein 22 Jahre alter Neusser muss sich seit gestern vor dem Düsseldorf­er Oberlandes­gericht verantwort­en. Er soll einem Österreich­er bei der Vorbereitu­ng eines Selbstmord-Attentats geholfen haben. Der Prozess ist jedoch nicht öffentlich.

- VON SIMON JANSSEN UND CLEMENS BOISSERÉE

NEUSS/DÜSSELDORF Glasige Augen, zerrissene Jeans, den Blick starr nach unten gerichtet. Der Angeklagte sieht aus, als hätte er die vergangene Nacht nicht viel geschlafen. Hinter dem gläsernen Kasten im Saal 2 des Düsseldorf­er Oberlandes­gerichtes muss er sich wie ein Tier im Zoo fühlen, als knapp 15 Kameras auf ihn gerichtet sind.

Bei dem jungen Mann handelt es sich um den 22 Jahre alten Kevin T. aus Neuss. Seit gestern muss er sich vor Gericht verantwort­en. Er soll dem mutmaßlich­en IS-Terroriste­n Lorenz K. (18) aus Österreich bei dessen Vorbereitu­ng eines geplanten Terroransc­hlags auf die US-Militärbas­is in Ramstein unterstütz­t haben. Das Duo soll als Test einen Sprengsatz in einem Park in Neuss gezündet haben. Der Neusser muss sich gemeinsam mit einer 17-Jährigen vor Gericht verantwort­en, die den Bau eines Sprengsatz­es durch den Verkauf eines Mobiltelef­ons mitfinanzi­ert haben soll. Ihr Anwalt kündigte bereits an, dass die Jugendlich­e dies einräumen wird. Zudem soll die damals 15-Jährige nach islamische­m Recht mit dem mutmaßlich­en österreich­ischen IS-Terroriste­n verheirate­t gewesen sein.

Kurz nachdem die Kameras klicken, müssen Pressevert­reter und Besucher den Saal verlassen. Sowohl der Prozess als auch die für den 11. Juni 2018 geplante Urteilsbeg­ründung finden unter Ausschluss der Öffentlich­keit statt. „Die junge Frau war zum möglichen Tatzeitpun­kt jugendlich und der Angeklagte heranwachs­end“, begründete der Vorsitzend­e Richter Lars Bachler die Entscheidu­ng.

Weitere Gründe für den Ausschluss der Öffentlich­keit seien schwere Entwicklun­gsverzöger­ungen und große Selbstzwei­fel, die bei Kevin T. festgestel­lt worden seien. Diese Diagnose gehe aus einem Bericht der Jugendgeri­chtshilfe Neuss vom 12. Dezember 2017 und einem jugendpsyc­hiatrische­n Gutachten vom 19. Februar dieses Jahres hervor, teilte der Richter mit. Fehlende Zuschauer und Medienvert­reter sollen nun dabei helfen, Hemmungen beim Angeklagte­n abzubauen.

Sein Verteidige­r gab jedoch vor Prozessbeg­inn einen kleinen Einblick in die Gefühlswel­t seines Mandanten. „Er ist nervös, aber vorbereite­t“, so der Kölner Rechtsanwa­lt Christian Kemperdick.

Wie Oberstaats­anwalt Daniel Stein vor Prozessbeg­inn mitteilte, hat der Angeklagte in den Vernehmung­en eingeräumt, Kontakt zu dem Österreich­er gehabt zu haben. Zugleich bestreite er jedoch, an der Planung oder Ausführung von Straftaten beteiligt gewesen zu sein. Jedoch habe der Österreich­er ihn in den Vernehmung­en belastet.

Laut Kemperdick wurde gestern die Anklage verlesen und die 17-Jährige angehört. Die Anhörung von Kevin T. steht noch aus. „Es ist noch nicht sicher, ob er sich äußern wird“, sagte Kemperdick gestern über seinen Mandanten. Ob der Angeklagte mit dem auffällige­n Bart noch immer an seiner „Gesinnung“festhalte, darüber wollte der Rechts- anwalt auf Nachfrage keine Angaben machen.

Der 22-Jährige war vor gut einem Jahr in Neuss festgenomm­en worden. Ein Sondereins­atzkommand­o hatte damals seine Wohnung gestürmt. Kurz nach seiner Festnahme sorgte ein Video für Aufsehen. Darauf ist zu sehen, wie der Angeklagte eine Fahne schwenkt, die an die des IS erinnert.

Dem Neusser wird unter anderem die Unterstütz­ung einer ausländisc­hen terroristi­schen Vereinigun­g und die Vorbereitu­ng einer schweren staatsgefä­hrdenden Straftat vorgeworfe­n. Ihm drohen bei einer Verurteilu­ng bis zu zehn Jahre Haft. 22 weitere Prozess-Termine sind angesetzt. Der nächste ist am 1. März.

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FOTOS: LENA HOGEKAMP Durch eine Scheibe getrennt: Der Kölner Rechtsanwa­lt Christian Kemperdick (r.) spricht mit seinem Mandanten.

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