Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Was uns Spitzensport wert ist
Der deutsche Sport diskutiert, was der Erfolg von Pyeongchang bringt. Keine pauschale Mittelerhöhung, sagt die Politik. Keinen Masterplan für alle Sportarten, sagen die Verbände. Was zurückkehrt, ist die Hoffnung auf Olympia im Land.
DÜSSELDORF Der Siegerflieger aus Pyeongchang war noch nicht in Frankfurt gelandet, da wetteiferte der deutsche Sport schon in der Diskussion darüber, was die erfolgreichen Winterspiele an nachhaltig positiver Wirkung entfalten können. Rasch mündete die Debatte in einer Frage: Was ist uns in Deutschland erfolgreicher Leistungssport wert? Zu wenig, warnen auch nach Pyeongchang die Spitzensportverbände. Deren Sprecher, Ruderpräsident Siegfried Kaidel, sagte unserer Redaktion: „Man kann aus dem Erfolg bei den Winterspielen keinen Generalplan ableiten, der sich auf alle anderen Sportarten übertragen ließe. Und nur weil Erfolg da ist, sind die Probleme ja nicht gelöst. Wir dürfen uns nicht blenden lassen und sagen: Es geht ja auch so. Nein, es geht um zu verbessernde Strukturen, um mehr Hauptamtliche an den Bundesstützpunkten, um eine bessere Bezahlung unserer Trainer. Und dafür braucht es definitiv mehr Geld.“
160 Millionen Euro zahlt der Bund pro Jahr für die Spitzensportförderung. Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), wünscht sich 70 bis 120 Millionen Euro mehr. Im Koalitionsprogramm von CDU/ CSU und SPD ist die Absicht zwar bekundet, finanziell drauflegen zu wollen, aber eine konkrete Größenordnung ist nicht enthalten. „Wenn die Reform nicht zügig Fortschritte macht, wird es kein sukzessives Me- daillenwachstum geben und es auf der Erfolgsleiter nicht nach oben gehen“, sagte Hörmann. Dann werde der große Erfolg von Pyeongchang ein einmaliger bleiben.
Doch das große Füllhorn will in Berlin niemand öffnen. So sagte Dagmar Freitag, die Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag, unserer Redaktion: „Auf der einen Seite kennen wir den mantrahaft wiederholten Ruf nach mehr Geld. Die jetzt erzielten Ergebnisse lassen jedoch auch den Schluss zu, dass die staatliche Sportförderung nicht so unterdurchschnittlich ist, wie sie seitens des DOSB gelegentlich dargestellt wird. Auf der anderen Seite bin ich sicher, dass wir uns begründeten Forderungen nicht verschlie- ßen werden. Ich sehe da durchaus Ansatzpunkte im Rahmen der Spitzensportreform, die sich gerade in ihrer Umsetzung befindet.“Die SPD-Politikerin will den Fokus stärker auf die Sanierung maroder Sportstätten legen und stellt da eine Hilfe für die Kommunen seitens des Bundes in Aussicht. „Ich sehe zunächst einmal die Notwendigkeit, dass wir Kommunen bei der Modernisierung, aber auch beim Unterhalt von Sportstätten, die dem Spitzensport dienen, stärker unterstützen als in der Vergangenheit. Gleiches gilt aus meiner Sicht aber auch für die Sportstätten für den Breitensport, auch wenn das nicht originäre Aufgabe des Bundes ist. Aber auch hier steht manche Kommune vor fast unlösbaren Aufgaben, und im Sinne all derer, denen regelmäßiges Sporttreiben wichtig ist, sollten wir hier unterstützen. Niemand trainiert gern in einer maroden Sportstätte, egal ob Breiten- oder Spitzensportler“, sagte Freitag.
So oder so wird Deutschland Geld in die Hand nehmen müssen, sollte die in diesen Tagen wiederbelebte Debatte um eine Olympia-Bewerbung Deutschlands in einer konkreten Bewerbung resultieren. Der DOSB gibt sich jedenfalls hoffnungsvoll. „Wir können aus deutscher Sicht in der Summe von einem insgesamt tollen Abschneiden und – trotz einiger sicherlich steigerungsfähiger Disziplinen – sehr erfolgreichen Olympischen Spielen sprechen. Dieses Ergebnis trägt hoffentlich dazu bei, hierzulande eine noch positivere Einstellung zu einer Olympia-Bewerbung zu bewirken. Die erfreuliche Medaillenausbeute müsste außerdem den Bund beflügeln, bei der Leistungssportreform wie geplant zeitnah zu neuen Ufern aufzubrechen“, sagte Walter Schneeloch, Vizepräsident des DOSB und Präsident des Landessportbundes, unserer Redaktion. Hörmann teilt diese Ansicht: „Ich bin zuversichtlich, dass zwischen 2030 und 2040, der Zeitpunkt gekommen sein kann – gekommen sein muss –, an dem man, ob mit Winter oder Sommer, wo auch immer, nochmals einen Anlauf nimmt“, sagte er.
Freitag ist da weniger euphorisch. „Perspektivisch sicherlich, aber eine solche Bewerbung erfordert Voraussetzungen. Das IOC muss erkennen, dass sein Gebaren in vielen Teilen der Welt auf deutliche Ablehnung trifft und hier verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen“, sagte sie. „Außerdem muss das IOC Abstand nehmen vom bisherigen Gigantismus und mangelhafter Nachhaltigkeit. Nur dann werden sportbegeisterte demokratische Staaten und deren Bevölkerung wieder bereit sein, als Ausrichter für Olympische Spiele anzutreten. Deutschland wäre in vielerlei Hinsicht ein geeigneter Gastgeber, aber wir müssten die breite Bevölkerung hinter einer solchen Bewerbung vereinen können. Vor dem Hintergrund des aktuellen Zustands des IOC sehe ich das aber zur Zeit jedenfalls als illusorisch an.“