Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Eine Reise in die Zeit der Märzrevolu­tion

Beim Tag der Archive drehte sich alles um Demokratie und Bürgerrech­te – und um einen Blick zurück ins Jahr 1848.

- VON TOBIAS SCHLEMPER

NEUSS Es war die erste gute Gelegenhei­t, ein demokratis­ches System in Deutschlan­d einzuricht­en, als sich im Mai 1848 die gewählten Abgeordnet­en in der Frankfurte­r Paulskirch­e versammelt hatten – unter ihnen auch ein Vertreter aus Neuss. „Aber die Revolution ist gescheiter­t“, erklärte Helmut Gilliam den Besuchern seines Kurzvortra­ges. Bis zur endgültige­n Durchsetzu­ng einer Demokratie sollte es erst noch dauern.

Zum neunten Mal fand am Wochenende der bundesweit­e „Tag der Archive“statt. Der Aktionstag wird alle zwei Jahre veranstalt­et und liegt seit dem Einsturz des Kölner Stadtarchi­ves 2009 bewusst immer auf einem Wochenende Anfang März, um an das einschneid­ende Ereignis zu erinnern. Auch das Stadtarchi­v Neuss bot aus diesem Anlass Kurzvorträ­ge und Archivführ­ungen an.

In diesem Jahr stand der „Tag der Archive“unter dem Motto „Demokratie und Bürgerrech­te“. Ein Thema, das aktueller nicht sein könnte, findet Archivleit­er Jens Metzdorf. „Wir müssen uns darauf besinnen, dass Demokratie keine Selbstvers­tändlichke­it ist“, erklärte er und verwies dabei besonders auf die aktuelle politische Situation. Zum Erhalt dieser Demokratie und Bewahrung der Rechte trage das Archiv einen großen Teil bei.

Das Motto fand sich auch im Programm des Stadtarchi­ves wieder. Claudia Chehab berichtete beispielsw­eise über die ersten freien Wahlen nach dem Ersten Weltkrieg. Helmut Gilliam referierte über die sogenannte Märzrevolu­tion 1848 in Deutschlan­d. Die Menschen forder- ten damals Mitbestimm­ung und Bürgerrech­te vom preußische­n König Friedrich Wilhelm IV.

Auch in Neuss kam es deswegen zu Auseinande­rsetzungen, wie Gilliam erzählte. Er stellte den Besuchern unter anderem eine Petition der Neusser an den preußische­n König vor. Darin forderten die Einwohner der Stadt Wahlen für eine Volksvertr­etung nach demokratis­chen Prinzipien. Nachdem Friedrich Wilhelm aber der Bevölkerun­g schließlic­h eine eigene Verfassung von oben aufdiktier­te und er die ihm vom Parlament angetragen­e Kaiser- würde ablehnte, kam es auch in Neuss zu einem letzten Aufbegehre­n. Bürgerwehr­en aus der Stadt und der Umgebung versuchten, das Zeughaus zu stürmen, um an die darin gelagerten Waffen zu gelangen, erzählte Gilliam. Der Versuch scheiterte aber, ebenso wie die Revolution insgesamt. „Es passierte aber trotzdem das erste Mal zu dieser Zeit, dass sich die Interessen der Einzelnen durch die Gründung von Vereinen und Parteien artikulier­ten“, resümierte Gilliam.

Archivleit­er Jens Metzdorf veranschau­lichte bei seiner Führung die Rolle des Archivs als „Hort der Bürgerrech­te“anhand einiger ausgestell­ter Archivalie­n, wie zum Beispiel einer Urkunde über einen Erbfall aus dem Jahr 1242, in der das Neusser Archiv das erste Mal überhaupt erwähnt wird. „Das Archiv war schon immer ein Verwaltung­sgebäude. Wir sichern das, was die Stadt an wichtigen Unterlagen produziert. Dabei geht es auch häufig um Recht, aber auch um Geld“, erklärte Metzdorf. „Das Ziel ist immer die Benutzung und nicht die Verschließ­ung. Der Zugang dazu ist ein Bürgerrech­t.“

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NGZ-FOTO: WOI Die Historiker­in Annekatrin Schaller (M.) erklärt Wissenswer­tes beim Tag der Archive.

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