Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Stolz auf den seltenen Namen Quirinus

Heimatlieb­e drückt sich manchmal auch im Personalau­sweis aus. Neuss ist so ein Fall. Außerhalb der Stadt kennt kaum jemand den Heiligen und Stadtpatro­n, in Neuss dagegen jedes Kind. Und nicht wenige tragen sogar seinen Namen.

- VON ANNE ODENDAHL

NEUSS Waren in den 1960ern Sabine und Frank die Hits, in den 1990ern Lena und Phillip, sind heute alte deutsche Namen wieder angesagt. Quirinus hat es allerdings nie unter die beliebtest­en Kindername­n geschafft. So bleibt er bis heute eine Seltenheit. Umso stolzer macht das seine Träger. „Meine Frau und ich haben unseren Sohn Cornelius Johannes Quirinus genannt, weil der Name schön ist und uns gut gefällt. ‚Quirinus’ spiegelt kraftvoll das Bekenntnis zur Heimat und christlich­en Werten wider“, sagt Hermann Gröhe MdB. Früh gab es für Cornelius Gröhe die ersten Berührungs­punkte mit dem Heiligen und Stadtpatro­n. „Ich bin in den Quirinus-Kindergart­en gegangen, ich war auf der MünsterSch­ule und meine Familie besucht den Gottesdien­st in St. Quirin: So habe ich viel mitbekomme­n über meinen Namenspatr­on. Es mag nur der dritte Name sein, aber er gehört definitiv zu mir“, sagt der 22-jährige Student. Dass er jetzt noch im Schützenzu­g „Stolz-Quirin“ist, sei ein lustiger Zufall. Sein Vater kann ihm nur zustimmen: „Um Quirinus kommt man in Neuss gar nicht herum.“Deshalb findet wohl auch Dietmar Quirinus Deuss seinen Zweitnamen gar nicht mal so außergewöh­nlich. „Ich erinnere mich, dass früher viele Neusser so hießen. Da haben wir immer ‚Quines’ gerufen. Hatte ja früher jeder in der Straße ‘nen Spitznamen“, erinnert sich der 64-Jährige. Dass dem Elektromei­ster aus dem Dreikönige­nviertel der Name recht geläufig ist, liegt möglicherw­eise auch daran, dass Männer verschiede­ner Generation­en seiner Familie ihn tragen. „Mein Großvater und mein Onkel hießen so und unser dritter Sohn hat den Namen auch“, sagt Deuss. Angesproch­en auf den Namen werde er vor allem, wenn es um offizielle Sachen geht und er seinen Ausweis zeigen muss: „Polizisten oder Beamte fragen dann immer, ob das wirklich so stimmt. Die Frage lautet manchmal sogar, was meine Eltern mir da angetan hätten. Ich sage dann, dass das ein toller Name ist.“Die Neusser Standesbea­mtin dagegen sei damals entzückt gewesen, als sie bei Deuss‘ Sohn Florian den Zweitnamen Quirinus eintragen durfte. Die St. Quirinus Schötzejes­elle schickten auch gleich ein Büchlein zur Geburt über das Leben und Wirken des Neusser Stadtpatro­ns. Florian Deuss ist ähnlich stolz auf seinen Namen wie sein Vater: „Er ist ein Stück Heimat und sagt mir, wo ich herkomme“, findet der 28-jährige Veranstalt­ungstechni­ker. Er stehe gerne Rede und Antwort, wenn nach der Herkunft seines Zweitnamen­s gefragt wird. „Man wird ja früh selbst neugierig und beschäftig­t sich mit dem Namen, dann kann man auch was dazu erzählen.“

Der römische Tribun Quirinus war der Überliefer­ung nach der Kerkermeis­ter von Papst Alexander I. Unter Kaiser Hadrian als Christ verfolgt, wurde er etwa um 115 n. Chr. enthauptet und in Rom beigesetzt. Auch heute noch pilgern Menschen mit ihren Anliegen zum Schrein des Märtyrers in Neuss und erbitten Fürsprache. Am 30. April wird das Hochfest der Translatio (Übertragun­g) der Gebeine nach Neuss gefeiert. Gleichzeit­ig ist dies der Namenstag aller Träger der Namen Quirinus, Quirin oder Quirina – wie er in der weiblichen Form heißt.

Um den Namen der Gegenwart anzupassen, wird er heutzutage meist als Zweit- oder Drittname gewählt. Dass modern und traditione­ll sich nicht ausschließ­en, haben Anita und Markus Ahrweiler bewiesen. „Der Rufname unseres Sohnes ist Finn, aber für seinen zweiten Vornamen haben wir Quirin gewählt“, sagt Anita Ahrweiler. Ihr Mann und sie haben den Namen aus der Verbundenh­eit zur Heimatstad­t ausgewählt. Zudem hat das Paar in St. Quirin geheiratet. Finn sei sehr stolz auf seinen Zweitnamen und interessie­re sich sehr für den Stadtpatro­n, sagt seine Mutter. Eine Holzfigur des Heiligen steht im Zimmer des Zwölfjähri­gen sowie ein Pilgerbech­er, den er vom Besuch am Schrein des Heiligen mitgebrach­t hat.

In dem kostbaren Schrein im Quirinus-Münster werden die Reliquien des Heiligen aufbewahrt. Papst Leo IX. schenkte, einer Legende nach, um 1050 die Reliquien seiner Schwester Gepa, die Äbtissin in Neuss war. Neben Hubertus von Lüttich, Cornelius (Bischof von Rom) und Antonius dem Großen, gehört er zu den Vier Marschälle­n. Er ist Patron der Stadt Neuss, der Pferde, Rinder und Ritter.

Anders als bei Kindern, deren Namen die Eltern entscheide­n, konnte Carsten Greiwe ihn ganz bewusst wählen. Er lebt als Augustiner-Chorherr in einem Stift in Niederöste­rreich und nennt sich Herr Quirinus – nach dem Patron seiner Heimatstad­t. „Der Ordensober­e gibt einem den Namen, aber ich hatte das Glück und durfte drei Vorschläge machen. Mein Wunsch wurde erfüllt“, berichtet H. Quirinus, der sich auch so am Telefon meldet. „Ich fühle mich Neuss sehr verbunden. Gerade weil ich nicht mehr dort lebe, ist er für mich eine zusätzlich­e äußere Verbindung zur Stadt“, sagt H. Quirinus, der sich genau an den Tag seiner Abmeldung erinnert: Kirmessonn­tag 2006.

Der aktive Grenadier kann nie genau sagen, ob er zum Schützenfe­st wieder in Neuss sein kann, da das Ordensfest des Heiligen Augustinus am 28. August gefeiert wird. Zum Quirinusfe­st im April, Mai sei er aber stets in Neuss, sagt H. Quirinus. „Die meisten Österreich­er verstehen meinen Namen zunächst gar nicht. Das ist dann immer ein schöner Anlass, seinen Ursprung und seine Bedeutung zu erklären“, meint H. Quirinus. Bisher hat der Ordensprie­ster nur einmal einen kleinen Namensvett­er getroffen, der mit seiner Großmutter das Stift besuchte. Sein Namenspatr­on war allerdings der bayerische Quirinus vom Tegernsee.

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FOTO: ARCHIV. Carsten Greiwe wählte als Augustiner­Chorherr in Österreich bewusst den Ordensname­n Quirinus.
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Florian Quirinus Deuss bekam schon zur Geburt ein Buch der St.-QuirinusSc­hötzejesel­le über den Heiligen.
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Finn-Quirin Ahrweiler im Alter von fünf Wochen auf dem Arm von Mutter Anita beim Besuch der Heiligenfi­gur...
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Dietmar Quirinus Deuss findet seinen Zweitnamen gar nicht ungewöhnli­ch. In seiner Familie hat er Tradition.
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FOTO: HOGEKAMP (3),ARCHIV (1), WOI (1) ... und zwölf Jahre später mit Cornelius Johannes Quirinus Gröhe (l.) an der Basilika.

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