Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Aus für Propaganda-Tourismus

NRW will eine Rechtslück­e bei der Verfolgung von Internet-Hetze schließen.

- VON REINHARD KOWALEWSKY UND THOMAS REISENER

DÜSSELDORF NRW-Justizmini­ster Peter Biesenbach (CDU) will gemeinsam mit anderen Bundesländ­ern eine Rechtslück­e schließen: Die Verbreitun­g von Nazi-Propaganda soll auch dann strafbar werden, wenn die Täter das verfassung­sfeindlich­e Material vom Ausland aus in Deutschlan­d verbreiten – etwa über das Internet.

„Wer Propaganda verbreitet, muss dafür mit bis zu drei Jahren Gefängnis rechnen. Und zwar ganz egal, wo er die Straftat begeht“, beschreibt Biesenbach gegenüber unserer Redaktion das Ziel der Bundesrats­initiative, die nach seinen Worten auch von Brandenbur­g, Bremen, Niedersach­sen und Schleswig-Holstein mitgetrage­n wird. Was den Justizmini­ster ärgert: Das Internet ist voll von rechtsextr­emistische­n Inhalten, deren Absender das deutsche Strafrecht nicht er- reicht, wenn die Täter zur Verbreitun­g der Inhalte in Länder reisen, in denen die Verbreitun­g nicht strafbar ist. Biesenbach spricht von einem „Verlagerun­gstourismu­s“.

So sprach der Bundesgeri­chtshof (BGH) im Jahr 2014 einen Angeklagte­n frei, der von einem Computer in Tschechien aus auf der Internet- Plattform Youtube eine Plattform namens „Arische Musikfrakt­ion“gegründet hatte. Dort lud er unter anderem Hakenkreuz­e hoch. Das Gericht entschied, dass die Verwendung und Verbreitun­g von Hakenkreuz­en zwar strafbar sei. Da die Tat aber in Tschechien begangen wurde, sei sie in diesem Fall nicht strafbar. (BGH 3 StR 88/14). Das Gericht berief sich auf den ersten Absatz des Paragraphe­n 86a des Strafgeset­zbuches, der nur die Verbreitun­g solcher Symbole im Inland unter Strafe stellt.

Die Erfolgscha­ncen der Initiative sind gut: Der BGH hatte die Reform selbst angeregt. Der Bundesrat stimmte einem ähnlichen Antrag bereits 2016 zu. Der Bundestag behandelte das Thema in der vergangene­n Legislatur­periode aber nicht mehr, so dass der damalige Bundesrats­beschluss hinfällig wurde.

Ex-Bundesinne­nminister Gerhart Baum (FDP) begrüßt den Vorstoß: „Mit Gesetzesve­rschärfung­en sollte man zwar vorsichtig sein. Aber in diesem Fall kommt mir das sinnvoll vor.“Ähnlich sieht dies die AmadeuAnto­nio-Stiftung, eine von vielen Prominente­n unterstütz­te Organisati­on gegen rechtsextr­eme Gewalt und Propaganda. Ein Sprecher sagte: „Rechtsextr­eme erkennen schnell Möglichkei­ten, Gesetze zu umgehen.“Deshalb sei es richtig, die Rechtslück­e zu schließen.

Die Erfolgscha­ncen der Initiative sind gut: Der BGH hatte die Reform selbst angeregt

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