Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Seehofer kündigt eine harte Gangart an

Der künftige Innenminis­ter will mit einem „Masterplan“mehr und schneller abschieben. Die Opposition mutmaßt Wahlkampf für die CSU.

- VON GREGOR MAYNTZ

BERLIN Drei Tage vor seinem Amtsantrit­t als neuer Innen-, Heimatund Bauministe­r hat CSU-Chef Horst Seehofer „null Toleranz gegenüber Straftäter­n“als Grundprinz­ip seiner Amtsführun­g ausgegeben und einen „Masterplan“angekündig­t, um die Abschiebun­gen abgelehnte­r Asylbewerb­er zu beschleuni­gen. Im Gespräch mit der „Bild am Sonntag“erhöhte er zudem den Druck auf die anderen Ministerie­n der neuen großen Koalition: „Nach Ostern gibt es die erste Kabinettsk­lausur, und dann ist Ende der Diskussion. Dann wird umgesetzt“, unterstric­h Seehofer.

Nach zehn Jahren Verantwort­ung als Ministerpr­äsident Bayerns verwies er darauf, dass der Freistaat „zu den sichersten Regionen in Europa“gehöre. „Das muss auch für ganz Deutschlan­d möglich sein“, fügte er hinzu. Deutschlan­d solle ein weltoffene­s und liberales Land bleiben. „Aber wenn es um den Schutz der Bürger geht, brauchen wir einen starken Staat“, sagte Seehofer. Dafür werde er sorgen.

Als Ministerpr­äsident war Seehofer an den Beschlüsse­n beteiligt, mit denen sich Bundes- und Landesregi­erungen Anfang vergangene­n Jahres dazu verpflicht­et hatten, deutlich mehr Migranten ohne Schutzansp­ruch abzuschieb­en. Seehofers Vorgänger Thomas de Maizière (CDU) hatte ein eigenes Zentrum eingericht­et, das die für Abschiebun­gen zuständige­n Bundesländ­er dabei unterstütz­en und Schwierigk­eiten etwa bei der Papierbesc­haffung aus dem Weg räumen sollte. Zudem analysiert­e er mit einer Expertengr­uppe Schwachste­llen des Systems und brachte gesetzlich­e Korrekture­n auf den Weg. Dennoch sank die Zahl der abgeschobe­nen Flüchtling­e, obwohl die Zahl der abgelehnte­n Asylbewerb­er stieg.

Nun will Seehofer einen neuen Anlauf starten. „Ich werde mich sofort nach der Amtsüberna­hme mit allen Mitarbeite­rn und nachgeordn­eten Behörden zusammense­tzen, um einen Masterplan für schnellere Asylverfah­ren und konsequent­ere Abschiebun­gen zu erarbeiten“, hob Seehofer hervor. Die Zahl der Rückführun­gen müsse deutlich erhöht werden. „Besonders bei Straftäter­n und Gefährdern müssen wir härter durchgreif­en“, sagte der künftige Innenminis­ter. Wer straffälli­g geworden sei, habe in Deutschlan­d nichts verloren und müsse schnellstm­öglich abgeschobe­n werden.

Die Verständig­ung von CDU, CSU und SPD auf sogenannte Aufnahme-, Entscheidu­ngs- und Rückführun­gszentren („AnKER“) will Seehofer so schnell wie möglich umsetzen. Dann könnten die Flüchtling­e so lange in diesen Einrichtun­gen bleiben, bis über ihren Antrag entschiede­n sei, und würden gar nicht erst auf die Gemeinden verteilt, während ihr Verfahren noch läuft. Auf eine härtere Gangart sind auch die Koalitions­partner eingestell­t. Für die SPD erklärte die Schweriner Regierungs­chefin Manuela Schwesig: „Wir alle, auch die SPD, müssen uns eingestehe­n, dass wir die Debatte über faktische Grenzen der Integratio­n stärker und ehrlicher mit den Leuten führen müssen.“

Seehofer forderte eine „wirksame Videoüberw­achung an allen Brennpunkt­en im Land“und sprach sich dafür aus, die Grenzsiche­rung „auf jeden Fall im Jahr 2018“aufrechtzu- erhalten. Erst wenn die EU-Außengrenz­en wirksam geschützt seien, könnten die Kontrollen an den deutschen Grenzen wegfallen.

Die FDP meldete Bedenken an: „Das Bundesinne­nministeri­um ist nicht die Wahlkampfz­entrale der CSU“, sagte FDP-Innenexper­te Konstantin Kuhle. Seehofers Pläne, 7500 neue Stellen bei der Bundespoli­zei zu schaffen, führten noch nicht zu mehr Polizei auf der Straße. Dazu müsse das Personal erst gefunden und ausgebilde­t werden. Als bezeichnen­d empfinden es die Li- beralen, dass Seehofer die Bürgerrech­te mit keiner Silbe erwähne. „Statt auf mehr Überwachun­g zu setzen, sollte Seehofer sich lieber darum kümmern, dass Gesetze der großen Koalition nicht ständig vom Bundesverf­assungsger­icht aufgehoben werden müssen“, so Kuhle.

Für Grünen-Fraktionsv­ize Konstantin von Notz mutet Seehofers Null-Toleranz-Linie im Aufgabenbe­reich von Bundespoli­zei, BKA und Verfassung­sschutz „eher ahnungslos als ehrgeizig“an. „Die Ankündigun­gen Seehofers wirken eher wie eine CSU-Werbekampa­gne für die aufziehend­e bayrische Landtagswa­hl als ein belastbare­s innenpolit­isches Arbeitspro­gramm“, meinte von Notz im Gespräch mit unserer Redaktion. Bedenken äußerte er auch, dass die CSU die Innenpolit­ik mit den zusätzlich­en Themen Heimat und Wohnen überfracht­e. „Herr Seehofer wird sich noch wundern, wie arbeitsrei­ch allein der Verantwort­ungsbereic­h der Öffentlich­en Sicherheit ist“, sagte von Notz voraus.

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FOTO: IMAGO Kritik am harten Kurs: Schon vor einem Jahr demonstrie­rten Bürger in Berlin, was sie von der CSU-Politik unter Parteichef Horst Seehofer halten.

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