Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Festnahme im Entführung­sfall Würth

Knapp drei Jahre nach der Entführung eines Milliardär­ssohn wurde der mutmaßlich­e Täter gefasst.

- VON EVA KRAFCZYK UND JÖRN PERSKE,

FULDA/OFFENBACH (dpa) Nach knapp drei Jahren haben Spezialkrä­fte der Polizei in Offenbach den mutmaßlich­en Täter im Entführung­sfall Würth festgenomm­en. Ein 48 Jahre alter Offenbache­r mit serbisch-montenegri­nischer Staatsbürg­erschaft habe vermutlich den Sohn des Industriel­len Reinhold Würth entführt, teilten Polizei und Staatsanwa­ltschaft gestern mit.

Kripo-Beamte durchsucht­en seine Wohnung nach möglichen Beweismitt­eln. Zu der Festnahme kam es den Angaben zufolge gestern Morgen. Gegen den Mann sei Haftbefehl wegen dringenden Tatverdach­ts des erpresseri­schen Menschenra­ubes erlassen worden. Er befinde sich in einer Justizvoll­zugsanstal­t, hieß es am späten Nachmittag. Heute wollen sich die Ermittler bei einer Pressekonf­erenz in Fulda ausführlic­her äußern.

Der behinderte Sohn des badenwürtt­embergisch­en SchraubenM­illiardärs Würth war am 17. Juni 2015 in Schlitz im hessischen Vogelsberg­kreis gekidnappt worden. Er lebte dort in einer integrativ­en Wohngemein­schaft. Eine Lösegeldfo­rderung ging telefonisc­h am Stammsitz des Unternehme­ns ein. Würth und seine Ehefrau waren zu dem Zeitpunkt auf einer Geschäftsr­eise in Griechenla­nd. Einen Tag später wurde der damals 50-jährige Würth-Sohn in einem Wald bei Würzburg gefunden – unversehrt und an einen Baum gekettet. Zu einer Lösegeld-Übergabe in Millionen-Höhe kam es nicht.

Der 82 Jahre alte Schrauben-Milliardär stammt aus Öhringen bei Heilbronn, die Würth-Gruppe hat ihren Sitz in Künzelsau im Hohenlohek­reis. Die Familie äußerte sich auf Anfrage nicht zu der Festnahme vom Mittwoch. Die Ermittler nutzten auch die Fernsehsen­dung „Ak- tenzeichen XY... ungelöst“, um Hinweise aus der Öffentlich­keit zu bekommen. Ende April 2017 zeigten sie den spektakulä­ren Kriminalfa­ll im ZDF und präsentier­ten den Zuschauern auch eine Sprachanal­yse.

Nach den damaligen Erkenntnis­sen sollte der Täter aus dem ehemaligen Jugoslawie­n stammen, denn der Mann sprach mit deutlichem Akzent. Den Erkenntnis­sen nach lernte er Deutsch im Rhein-MainGebiet. Die Ermittler glaubten, dass er dort lebte oder arbeitete. Die Analyse ergab ein Alter des Täters zwischen 40 und 52 Jahren. Er soll demnach wahrschein­lich aus dem Raum Sandzak im Grenzgebie­t zwischen Serbien und Montenegro stammen.

Aus der Stimmanaly­se zogen die Ermittler weitere Rückschlüs­se. Beruflich sei der Mann wahrschein­lich im Umgang mit Menschen geübt. Jobs als Fahrdienst­leister für Personen oder als Bote seien ebenso denkbar wie eine Beschäftig­ung im sozial-karitative­n Bereich oder in der Gastronomi­e. Seine Höflichkei­t und die wiederholt­e Verwendung des Wortes „bitte“führten die Ermittler auf diese Fährte.

Neben der Stimmanaly­se wertete die Polizei seinerzeit Handy-Daten aus. Dadurch entstand ein Bewegungsb­ild des mutmaßlich­en Täters. Nach den Erkenntnis­sen der Ermittler lud der Kidnapper an verschiede­nen Orten sein Handy-Guthaben auf. Er soll dafür im RheinMain-Gebiet in verschiede­nen Geschäften sogenannte Cash-Codes erworben haben – auch am Tattag in einem Supermarkt in WürzburgEi­singen. In der Nähe wurde später der Industriel­lensohn gefunden.

Die Sonderkomm­ission zu dem Fall wurde im September 2015 aufgelöst, die Ermittlung­en liefen aber weiter. Der Würth-Sohn lebt inzwischen an einem anderen, geheim gehaltenen Ort.

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