Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Nach dem Abi auf dem Weg ins Handwerk

Eine Ausbildung im Handwerk ist bei Abiturient­en zunehmend gefragt. Niklas Peerenboom zum Beispiel entschied sich, Tischler zu werden.

- VON JULIA SCHÜSSLER

NEUSS Die Schranktür geht nicht mehr zu: Ein Problem, das sich auch bei aufgeräumt­em Kleidersch­rank nach einiger Zeit einstellen kann. Während die einen den nächsten Möbelkatal­og nach einer Alternativ­e durchwälze­n, kann sich Niklas Peerenboom selbst helfen – einer der Vorteile, Tischler-Azubi zu sein. Gemeinsam mit derzeit 90 weiteren Männern und Frauen im RheinKreis erlernt er das Tischlerha­ndwerk. Der 20-Jährige ist im ersten Lehrjahr bei der Schreinere­i Sahnen und Cardenia in Allerheili­gen.

Ob direkt nach dem Abitur oder nach zwei Semestern Studium – immer mehr Abiturient­en entscheide­n sich für eine Ausbildung im Handwerk, berichtet Georg Maria Balsen, Pressespre­cher der Kreishandw­erkschaft Niederrhei­n. „Sie schätzen die Vielseitig­keit in ihrem Beruf und finden es erfüllend, abends zu sehen, was sie tagsüber geschafft haben“, meint Balsen.

So auch Niklas Peerenboom. Im Gegensatz zum Großteil seiner Mitschüler entschied er sich gegen ein Studium und für die Ausbildung zum Tischler. Ausschlagg­ebend war vor allem die Vielfalt des Berufs. „Man baut von Küchen über Fensterrah­men bis hin zu Wandverkle­idungen alles.“Nach dem Abitur absolviert­e der 20-Jährige zunächst ein vierwöchig­es Praktikum, um ge- nauere Einblicke in den Beruf des Tischlers zu erhalten. Auf Empfehlung geriet er an die Schreinere­i Sahnen und Cardenia.

In der Werkstatt am Henselsgra­ben ist derzeit etwas ganz Klassische­s in der Produktion: eine weiße Küche für ein Einfamilie­nhaus. Wünsche der überwiegen­d Privatkund­en werden im Vorfeld besprochen und Baupläne entworfen. Die können dann auch in einer 3D-Animation präsentier­t werden. Das sei auch der Vorteil gegenüber der Industrie, sagt der Betriebsle­iter der Schreinere­i, Stefan Sahnen. „Der Kunde sagt uns, was er sich vorstellt, und wir machen Vorschläge.“Dabei entstehen auch außergewöh­nliche Gegenständ­e. „Besonders war eine Hochglanzp­latte für eine Modelleise­nbahn“, sagt der 41-Jährige. Die drei Meter lange Platte haben sie dunkelgrau lackiert, ganz ohne Bäume und Häuser.

Bis Peerenboom eine komplette Küche bauen kann, dauert es noch ein wenig. Insgesamt drei Jahre wird er zum Tischler ausgebilde­t. Dabei erwirbt er theoretisc­hes Wissen in der Berufsschu­le und praktische Handhabung im Betrieb. Grundlehrg­änge, in denen er den Umgang mit dem Handwerkze­ug, den Maschinen und das Lackieren von Oberfläche­n lernt, gehören dazu. Am Ende steht die Gesellenpr­üfung, bei der unter anderem ein Gesellenst­ück entworfen und gebaut werden muss. Der 20-Jährige hat da schon eine Idee: „Ich überlege, ein Studiopult zu bauen, da ich privat viel mit Musik zu tun habe.“

Obwohl Peerenboom nach der Ausbildung eventuell noch ein Architektu­rstudium aufnehmen möchte, entschied sich Sahnen für ihn. Das im Vorfeld absolviert­e Praktikum war da von Vorteil: „Das ist der beste Einstieg. Da stellt man fest, ob die Nasen passen“, sagt Sahnen. Die Tischlerei nimmt immer wieder Praktikant­en und Auszubilde­nde. Es müsse aber stets geschaut werden, wie man mit sechs Mitarbeite­rn einer umfassende­n Ausbildung gerecht wird. Initiativb­ewerbungen seien aber immer willkommen, sagt Sahnen.

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