Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Die Putin-Show

Nach 18 Jahren an der Macht lässt sich Russlands starker Mann bis 2024 als Präsident bestätigen. Vorwürfe wegen Wahlrechts­verstößen scheinen da nicht weiter zu stören.

- VON KLAUS-HELGE DONATH

MOSKAU Wladimir Putin ist zum vierten Mal seit 2000 zum russischen Präsidente­n gewählt worden. Rund 75 Prozent der Wähler entschiede­n sich nach ersten Ergebnisse­n am gestrigen Abend für den Kremlchef. „Ihr seid unsere Mannschaft. Ich bin Mitglied eures Teams und alle, die heute gewählt haben, sind Teil unseres gemeinsame­n Teams“, sagte Putin bei einem Auftritt in der Nähe des Kremls in Moskau. Mit dem Ergebnis steuert er auf das beste Wahlergebn­is seiner Karriere zu. Er werte dies als Anerkennun­g für seine bisherige Politik. „Ich sehe darin Vertrauen und Hoffnung“, sagte Putin. „Uns erwartet Erfolg.“Nach etwa drei Minuten stimmte er „Russland“-Rufe an und verließ die Bühne.

Weit abgeschlag­en hinter ihm folgte der Kandidat der Kommuniste­n (KPRF) Pawel Grudinin mit rund 13 Prozent. Den dritten Platz beleg- te mit sechs Prozent Wladimir Schirinows­ki von der rechtsextr­emen Liberaldem­okratische­n Partei Russlands (LDPR). Die vom Kreml zur Belebung der farblosen Wahlen ins Rennen geschickte Kandidatin des liberalen Spektrums, Xenia Sobtschak, erzielte mit 1,4 Prozent einen Achtungser­folg. Der altgedient­e demokratis­che Kandidat der Partei Jabloko, Grigori Jawlinski, muss mit 0,8 Prozent vorliebneh­men.

Der Kreml hatte es vor allem auf die Wahlbeteil­igung abgesehen, um den Urnengang als Plebiszit für den Kremlchef erscheinen zu lassen. Das Ziel von 70 Prozent Wahlbeteil­igung und 70 Prozent Zustimmung für Putin wurde aber verfehlt. Zwar erhielt Putin 75 Prozent der Stimmen, die Wahlbeteil­igung lag jedoch bei 60 Prozent. Sie sank im Vergleich zu 2012 um mehr als fünf Prozent nach den letzten Angaben der Zentralen Wahlkommis­sion.

Auf der Halbinsel Krim stimmten 91,7 Prozent der Wähler für den Prä- sidenten des Anschlusse­s. Die Wahl wurde extra auf den vierten Jahrestag der Annexion der Krim am 18. März 2014 gelegt. Der Westen verurteilt die Einverleib­ung der Schwarzmee­rhalbinsel als Bruch des Völkerrech­ts. Putin zählt sie aber zu seinen größten Erfolgen. Die Annexion hat seine Beliebthei­t dauerhaft hochgehalt­en und den Nationalst­olz vieler Russen beflügelt. Die EU will das Ergebnis auf der Krim nicht anerkennen. Auch die Ukraine protestier­te gegen die Abstimmung dort.

Opposition­snahe Wahlbeobac­hter berichtete­n von mehr als 2500 Manipulati­onsversuch­en. Im Internet kursierten Videos von Wählern, die mehrere Stimmzette­l gleichzeit­ig abgeben wollten. Auch wurden Fälle bekannt, in denen Wahlzettel bündelweis­e in die Urnen gestopft wurden. Zudem seien die Namen einiger Wähler auf mehreren Listen aufgetauch­t, hieß es. Nach russischen Angaben waren mehr als 1300 ausländisc­he Beobachter bei der Wahl aktiv. Allein die Organisati­on für Sicherheit und Zusammenar­beit in Europa (OSZE) setzte fast 600 Beobachter ein. Sie will heute ihre Einschätzu­ng zur Wahl mitteilen. Wahlleiter­in Ella Pamfilowa sprach dagegen von einer transparen­ten Wahl. Es seien keine schwerwieg­enden Verstöße gemeldet worden.

Der Opposition­elle Alexei Nawalny, der wegen einer fadenschei­nigen Bewährungs­strafe nicht zur Wahl antreten durfte, hatte zum Wahlstreik aufgerufen. Ob dieser Aufruf sich auf die Wahlbeteil­igung ausgewirkt hat und Nawalnys Strategie aufgegange­n ist, war gestern in opposition­ellen Kreisen umstritten. Das Regieren dürfte für den neuen Kremlchef auch mit diesem Ergebnis nicht einfacher werden.

Der frühere Geheimdien­stler führt Russland seit 18 Jahren. Weil die Verfassung nur zwei Amtszeiten in Folge erlaubt, hatte er sich 2008 nicht zur Wahl gestellt. Bis 2012 war er Regierungs­chef, während sein Vertrauter Dmitri Medwedew die Geschäfte im Kreml leitete. 2012 tauschte Putin mit Medwedew in einer Rochade das Amt und kehrte mit 63,6 Prozent der Stimmen in den Kreml zurück. Putins Wahl 2012 war von Massenprot­esten begleitet worden. Dieses Mal zeichneten sich zunächst keine Demonstrat­ionen ab.

Unter den ersten Putin-Gratulante­n waren gestern Abend die beiden Parteivors­itzenden der rechtspopu­litischen AfD. „Wir wünschen ihm viel Erfolg und politische Umsicht für seine nächste Amtsperiod­e“, erklärten Jörg Meuthen und Alexander Gauland. Die AfD werde alles daran setzen, dass die Beziehunge­n zu Moskau sich normalisie­rten und die Sanktionen gegen Russland abgebaut würden.

„Wir wünschen Wladimir Putin viel Erfolg und politische Umsicht für seine nächste Amtsperiod­e“

AfD-Chef Jörg Meuthen

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FOTO: AP Auf dem Manezhnaya-Platz nahe des Kremls schwenken Wähler russische Flaggen.

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