Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Tausend Küsse von Maria

Im bayerische­n Unterfloss­ing ist die Mutter Gottes erschienen. Das zumindest behauptet ein italienisc­her Seher.

- VON PATRICK GUYTON

UNTERFLOSS­ING Salvatore Caputa hält die Gebetskett­e nach oben und schaut angestreng­t in den grauen Himmel von Unterfloss­ing. Punkt 16.30 Uhr durchzuckt es den 73-jährigen Mann mit dem Schnauzbar­t. Kurz wirkt er erschrocke­n, dann fällt er auf die Knie. „Jetzt ist wohl die Maria da“, flüstert eine Frau in der Gruppe aus 300 Menschen, die sich um Caputa geschart haben. Nach zehn Minuten erhebt sich der Italiener wieder und geht durch die Menge in einen kleinen Bauwagen. „Er schreibt jetzt auf, was Maria ihm gesagt hat“, erklärt Otto Masszi, einer der Organisato­ren dieses mystischen Events im bayerische­n Inntal, 85 Kilometer östlich von München.

Er ist wieder da, Caputa, der Seher. An diesem Samstagnac­hmittag, zum dritten Mal an der kleinen St.Laurentius-Kapelle von Unterfloss­ing. Salvatore Caputa sagt, er hat Marienvisi­onen. Die Gottesmutt­er, Mutter Jesu Christi, erscheint ihm und spricht mit ihm. Letztes Frühjahr war das so an diesem Ort, dann im Spätsommer und nun an diesem eisig-windigen Tag Mitte März.

Die Menschen sitzen auf Campingstü­hlen an der Marienstat­ue vor der Kapelle. Die Leute stammen nicht nur aus der Umgebung, sie kommen auch aus dem württember­gischen Biberach, aus Linz in Österreich oder Klagenfurt. Die ganze kleine Straße ist vollgepark­t mit Autos. Die Menge murmelt un- ablässig: „Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name.“

Was geschieht in Unterfloss­ing? Die Deutung schwankt zwischen Marienvere­hrung und Scharlatan­erie. Vielleicht muss man versuchen, es von der St.-Laurentius-Kapelle her zu erklären. Die war ein marodes, verfallend­es Bauwerk mitten im Nirgendwo. Bis Otto Masszi, ein Chorleiter und Angestellt­er bei der Regierung von Oberbayern, sie vor einigen Jahren gekauft und mit viel Arbeit und Geld restaurier­t hat. Für Masszi ist die Kapelle ein „Kraftort“. Auf den Seher Caputa ist er schon bei dessen früheren Einsätzen gestoßen. Masszi schrieb Caputa, und der stellte fest, dass Maria gerne in Unterfloss­ing erscheint.

Die Kernfrage lautet immer wieder: Hat jemand Maria gesehen oder gespürt? Dieter Hetzel, ein Mann aus Mühldorf, sagt: „Auf das München Unterfloss­ing Wissen kommt es nicht an, sondern auf den Glauben.“Eine Frau mittleren Alters meint: „Ich weiß nicht, ob Herr Caputa ein Schauspiel­er ist. Aber mir hilft es, ich will glauben.“

Gegen 17 Uhr kommt Salvatore Caputa wieder und berichtet: „Die Madonna ist hergekomme­n, um alle zu umarmen. Sie sagte: Liebt einander und seid in Frieden.“Der Mann aus Sizilien, der einmal Carabinier­e war, fährt fort: „Die Mutter Gottes gibt allen einen Kuss – nehmt diesen Kuss mit nach Hause in eure Familien.“Weiter weiß er zu berichten, dass Maria ein weißes Kleid getragen hat und von zwölf Engeln begleitet wurde. Sie kommt am 8. September wieder nach Unterfloss­ing.

Die Kirche ist von dem Treiben wenig angetan. In einer Erklärung distanzier­t sich die Erzdiözese München-Freising davon und stuft Caputa als „äußerst fragwürdig“ein. Seinen Priestern verbietet das Bistum, an den Veranstalt­ungen teilzunehm­en. Zwar gibt es bei den Katholiken offiziell anerkannte Marienersc­heinungen, aber nur sehr wenige. Dazu zählen etwa Lourdes im Jahr 1858 und Fatima 1917. Geht es in Unterfloss­ing ums Geld? Der Fördervere­in St.-Laurentius-Kapelle verteilt Beitrittse­rklärungen, doch der Vorsitzend­e Erich Neumann sagt, der Mindestbei­trag liege nur bei einem Euro jährlich. Dass niemand außer Caputa Maria tatsächlic­h sieht, ist für ihn leicht erklärbar: „Die Erscheinun­g sieht immer nur der Seher.“

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FOTO: DPA Der selbst ernannte Seher Salvatore Caputa wartet in Unterfloss­ing auf die Marienersc­heinung. Die katholisch­e Kirche stuft den ehemaligen Carabinier­e aus Sizilien als „äußerst fragwürdig“ein.

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