Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Kölns Mentalität schlägt Bayers Qualität

Leverkusen hadert nach dem 0:2 im Derby mit der eigenen Einstellun­g.

- VON DORIAN AUDERSCH

KÖLN Es ist nicht immer leicht, die Ergebnisse von Fußballspi­elen mathematis­ch zu erklären. Leverkusen­s Innenverte­idiger Jonathan Tah fand nach der 0:2-Niederlage in Köln dennoch eine passende Formel, um die Pleite im Derby zu erklären: „Wir waren heiß, aber sie waren vielleicht fünf Prozent heißer.“Es gehe gar nicht so sehr um das Spielerisc­he, sagte der Nationalsp­ieler. „Das ist eine Kopfsache. „Wir haben qualitativ die bessere Mannschaft, aber am Ende zählt, was du auf den Platz bringst.“Bayer habe es schlicht nicht geschafft so präsent zu sein wie der Gegner aus Köln.

Das ist eine Analyse, die vor allem Leverkusen­s Trainer Heiko Herrlich ärgern dürfte – und zwar, weil sie zutrifft. Der 46-Jährige predigt seit seinem Amtsantrit­t im vergangene­n Sommer, dass Mentalität immer Qualität schlage. Nun belegt ausgerechn­et der akut abstiegsbe­drohte Erzrivale ausgerechn­et im Derby, dass diese These mehr als nur eine Phrase aus dem Almanach der Trainerwei­sheiten ist. Umso unverständ­licher war der beinahe körperlose Auftritt seiner Mannschaft in den ersten 20 Minuten, in denen der FC durch Yuya Osako verdient in Führung ging (9.), ehe Simon Zoller durch sein 2:0 alles klarmachte (69.).

Dazwischen lag eine gute Stunde Fußball mit viel Leidenscha­ft und Emotionen – vor allem von den Kölnern, die immer wieder durch schnelle Konter gefährlich­e Nadelstich­e setzen. „Eine Mannschaft, die Ambitionen hat ganz oben mitzuspiel­en, kann nicht so in ein Spiel gehen. Das war einfach zu wenig. Ich weiß nicht, was da los war“, wunderte sich Herrlich sichtlich angefresse­n mit Blick auf die von seinen Spielern völlig verpatzte Anfangspha­se.

Die erste Halbzeit misslang allerdings auch, weil sich Lucas Alario nach etwa einer halben Stunde zu einer Tätlichkei­t gegen Dominic Maroh hinreißen ließ. Der Argentinie­r wurde offenbar provoziert und holte treffsiche­r mit seinem Ellbogen gegen den Gegenspiel­er aus. Schiedsric­hter Harm Osmers unter- brach die Partie, begutachte­te die Szene am Monitor und zückte nach Ansicht des Videomater­ials die Rote Karte.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich Bayer durch Undiszipli­niertheit um Punkte bringt. Schon gegen Borussia Dortmund, RB Leipzig und Schalke 04 musste Leverkusen Platzverwe­ise hinnehmen – also ausgerechn­et gegen die Teams, mit denen sich die Werkself um die ersehnten Champions-League-Plätze balgt. In Unterzahl ist es dann freilich ungleich schwierige­r, ein Spiel erfolgreic­h zu gestalten. Herrlich erklärte das unter anderem mit der Unerfahren­heit seines jungen Teams. „Deswegen sind wir noch keine Spitzenman­nschaft“, betonte der Trainer. Insgesamt gehe der Sieg der Kölner deswegen auch in Ordnung.

Innenverte­idiger Tah ging ebenfalls selbstkrit­isch in die nun beginnende Länderspie­lpause. „Wir haben es nicht gut gemacht, die Gegner nicht gut angelaufen und sie haben das ausgenutzt“, sagte er. Der Rückschlag im Kampf um die Champions League müsse so schnell wie möglich abgehakt werden. Sein Teamkolleg­e Bernd Leno hatte übrigens keinen mathematis­chen, aber dafür einen umso prägnanter­en Erklärungs­ansatz für die Pleite: „Wir waren von der Birne her nicht da – und dann reicht es eben nicht.“

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FOTO: DPA Kölns Simon Zoller erzielt das 2:0. Yuya Osako (vorn) jubelt schon mal.

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