Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Gradmesser BVB

In der Liga haben die Dortmunder mit dem 1:0 über Hannover zwölfmal hintereina­nder nicht mehr verloren – in Europa sind sie hingegen sang- und klanglos ausgeschie­den. Das sagt viel über die derzeitige Qualität der Bundesliga aus.

- VON ROBERT PETERS

DORTMUND Zu ausgiebige­n Siegesfeie­rn fand sich nicht einmal die berühmte gelbe Wand von Fans auf der Südtribüne des Dortmunder Stadions bereit. Das lag vielleicht auch an den Temperatur­en und dem strammen Wind aus Nordost, der aus der Arena eine Tiefkühltr­uhe machte. Der 1:0-Erfolg des BVB über Hannover 96 hätte aber selbst bei besseren Witterunge­n keine Begeisteru­ngsstürme entfacht. Die Gastgeber spielten eine ganz ordentlich­e erste Halbzeit, hatten jedoch vor allem in der zweiten Hälfte kaum fußballeri­schen Zusammen-

„Mario Götze hat heute vieles von dem gezeigt, was wir sehen wollen“

Peter Stöger halt. Hannover war auf keinen Fall wesentlich schwächer als der Champions-League-Kandidat aus Westfalen.

Es ist eine der erstaunlic­hen Fußnoten dieser Bundesliga-Saison, dass der BVB trotz spielerisc­her Armut den Platz unter den ersten drei der Tabelle behauptet. Und es mutet seltsam an, dass Trainer Peter Stöger keines seiner zwölf Meistersch­aftsspiele mit den Dortmunder­n verloren hat. Es sagt einiges über die Qualität der Bundesliga aus, dass Dortmund, das am Donnerstag in Salzburg so sang- und klanglos aus dem internatio­nalen Wettbewerb ausgeschie­den ist, in der nationalen Liga unbeeindru­ckt punktet.

Stöger wertete die Leistung beim Erfolg über Hannover möglicherw­eise auch deswegen sehr gern ein bisschen auf. „Mit der Leistung sind wir sehr einverstan­den“, sagte der Österreich­er, „es ist sowieso immer schwierig nach einem Europapoka­lspiel, dafür haben wir ein richtig gutes Spiel gemacht.“Seine Elf, urteilte Stöger, habe „Tiefe gefunden, Überzahl im Zentrum hergestell­t und Zug zum Tor gehabt“. Über den bescheiden­en Vortrag nach dem Wechsel schwieg er lieber.

Es ist ihm noch nicht gelungen, aus dieser bemerkensw­erten Sammlung an fußballeri­schem Talent eine Mannschaft zu machen, die ihr Vermögen auch auf den Platz bringt – jedenfalls nie über ein ganzes Spiel. In der Bundesliga reicht die Klasse einzelner offenbar aus, tüchtig zu punkten. Internatio­nal waren die Vorstellun­gen beinahe indiskutab­el.

Ob Stöger überhaupt die Zeit bekommt, das Potenzial dieser Mannschaft auszuschöp­fen, ist vor allem durch die Vorstellun­gen in Europa äußerst ungewiss. Der Fußballleh­rer löste im Dezember den Niederländ­er Peter Bosz ab, der mit seinem hemmungslo­sen Offensivst­il krachend gescheiter­t war. Die Dortmunder Klubführun­g gab dem Österreich­er Stöger freilich nur einen Vertrag bis zum Ende der Saison. Und eine Weiterbesc­häftigung über den Sommer hinaus hängt maßgeblich davon ab, wie sich seine Mann- schaft bis zum Ende der Spielzeit präsentier­t.

Stöger hat sicher zu Anfang seiner Arbeit für dringend notwendige defensive Stabilität gesorgt, zu einfallsre­ichem Fußball hat er sein Team noch nicht anregen können. Dabei hat er ja durchaus Personal, das für hochwertig­en Sport sorgen könnte. Zentrale Mittelfeld­spieler wie Mo Dahoud und Julian Weigl haben ihre Veranlagun­g in der Vergangenh­eit nachhaltig bewiesen. André Schürrle und Mario Götze schossen Deutschlan­d im Doppelpass zum Weltmeiste­rtitel, Marco Reus gilt seit Jahren als einer der kreativste­n Angreifer des Landes, vielleicht des Kontinents.

Doch Reus plagt sich durch ein verletzung­sreiches Leben – gegen Hannover musste er mal wieder aussetzen. Schürrle findet nur zu Ansätzen früherer Klasse, Dahoud kommt so langsam in die Nähe der Vorstellun­gen, die ihn in Mönchengla­dbach zu einem der begehrten Nachwuchsl­eute machten. Weigl dagegen verabschie­det sich in die erste richtige Krise seiner Laufbahn, und bei Götze weiß niemand, ob er noch mal der wird, der er war, bevor er Dortmund vorübergeh­end in Richtung Bayern München verließ.

Gegen Hannover war er zumindest ganz engagiert unterwegs, nachdem ihn Stöger wegen einer blutleeren Vorstellun­g in Salzburg tüchtig angezählt hatte. Die Rückkehr zu getreuer Pflichterf­üllung bezeichnet­e sein Trainer nun „als sehr gutes Spiel, Mario Götze hat vieles von dem gezeigt, was wir sehen wollen“. Es ist möglicherw­eise eines der Dortmunder Probleme im eisigen Frühjahr 2018, dass einige mit relativ wenig schnell zufrieden sind.

Es ist noch nicht heraus, wie viele Minimalist­en in der Vereinsfüh­rung sitzen. Wer im Gesicht des Geschäftsf­ührers Hans-Joachim Watzke lesen wollte, der hatte zuletzt reichlich Gelegenhei­t, aussagekrä­ftige Mienen wachsenden Unmuts zu studieren.

Watzke wird seine Schlüsse aus der Spielzeit ziehen. Es ist zu hören, dass Dortmund dem Team defensiv Führungspe­rsonal und in einigen Bereichen ein wenig mehr Erfahrung einkaufen will. Es ist nicht bekannt, wie sich der Klub zu Stöger positionie­rt. Im Umfeld heißt es, dass dessen Landsmann Ralph Hasenhüttl (derzeit RB Leipzig) sehr aufmerksam beobachtet werde.

Da ist er nicht allein. Auch Stöger und seine Truppe stehen im Fokus der Vereinsobe­ren. „Wir halten die Augen sehr geöffnet und beobachten ganz genau, was hier in den letzten Monaten passiert ist und was in den nächsten Monaten auf dem Platz passiert“, sagte Sportdirek­tor Michael Zorc in Salzburg. Kein Zweifel: Stöger arbeitet auf Bewährung.

Trainer Borussia Dortmund

 ?? FOTO: FIRO ?? Mario Götze wurde nach dem Spiel in Salzburg von seinem Trainer Peter Stöger angezählt – und konnte sich am Samstag gegen Hannover erneut beweisen. Dem deutschen WM-Helden wurde hinterher eine gute Leistung bescheinig­t.
FOTO: FIRO Mario Götze wurde nach dem Spiel in Salzburg von seinem Trainer Peter Stöger angezählt – und konnte sich am Samstag gegen Hannover erneut beweisen. Dem deutschen WM-Helden wurde hinterher eine gute Leistung bescheinig­t.

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