Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Peter Stamm schreibt über die Gleichgült­igkeit der Welt

- VON WELF GROMBACHER

Weil Christoph mal wieder eine seiner Schreibkri­sen durchlebt, sagt Freundin Magdalena zu ihm, er solle aus dem Gefühl heraus schreiben. „Schreib ein Buch über dich und mich, über unser Leben, unsere Liebe.“Das aber ist gar nicht so einfach. „Ein literarisc­her Text braucht eine Form, eine Folgericht­igkeit, die unser Leben nicht hat“, entgegnet Christoph. Denn: „Glück macht keine guten Geschichte­n.“

Trotzdem fängt er hinter ihrem Rücken an zu schreiben. Bald kommt es ihm vor, als habe er sie mit ihrem Ebenbild betrogen, als sei ihm die geschriebe­ne Magdalena näher als die lebende. Eine Entfremdun­g setzt ein. „Beim Schreiben wurde ich vorsichtig mit großen Worten und Gefühlen, zweifelte nicht nur an jenen der anderen, sondern auch an meinen eigenen.“

Eine typische Ausgangssi­tuation für die Romane des 1963 geborenen Peter Stamm – ein hoffnungsl­oser Melancholi­ker. Einer, der eine Geschichte zum Klingen bringen kann. Seine Figuren sehnen sich nach Nähe, sind aber nicht bereit, sich selbst, oder auch nur die Rolle, die sie spielen, für einen anderen Menschen aufzugeben. „Die sanfte Gleichgült­igkeit der Welt“nun ist ein phantastis­cher Künstlerro­man, und doch gegenwarts­tauglich.

Nach dem Scheitern seiner Beziehung stagniert auch Christophs Karriere als Schriftste­ller. Die Zeit zieht ins Land. Bei Lesungen liest er immer noch aus seinem ersten Roman, dem kein zweiter folgt. So auch an dem Abend in seiner Heimatstad­t, in die er nach Jahren der Abwesenhei­t eingeladen wird. Alles läuft wie immer, Christoph ist schon auf dem Weg ins Hotel, als er eine seltsame Begegnung hat, glaubt er im Nachtporti­er doch sich selbst zu erkennen.

Als wenige Tage später sein Doppelgäng­er erneut auftaucht und eine seiner Vorlesunge­n besucht, nimmt er die Verfolgung auf. Und siehe: Der Mann wohnt nicht nur im gleichen Haus wie Christoph als junger Mann, er hat auch eine Freundin, die aussieht wie die junge Magdalena.

Christoph folgt der jungen Frau bis Stockholm, wo er Kontakt aufnimmt, um ihr seine Geschichte zu erzählen, sie zu warnen. Sie kann kaum glauben, wie viel dieser Mann über sie und ihren Freund weiß. Unbedingt will sie hören, wie alles ausgeht. Er aber sagt: „Das Ende der Geschichte kann ich Ihnen nicht erzählen … ein Ende haben Geschichte­n nur in Büchern.“

Ein schönes Buch, das auch aus dem Kopf, mehr aber aus dem Gefühl heraus geschriebe­n wurde. Peter Stamm Die sanfte Gleichgült­igkeit der Welt

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