Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Fanforsche­r will Ultras stärker einbinden

Das Derby zwischen Köln und Leverkusen stand vor der Absage, weil im Bayer-Block Pyrotechni­k vorbereite­t wurde. Der Soziologe Gunter Pilz rät Vereinen und Polizei, Fußballfan­s nicht von vornherein als Störenfrie­de abzustempe­ln.

- VON PETER CLEMENT

LEVERKUSEN Das Derby zwischen dem 1. FC Köln und Bayer Leverkusen (2:0) hat am Sonntag offenbar kurz vor der Absage gestanden. Das geht aus dem gestern veröffentl­ichten Abschlussb­ericht der Kölner Polizei hervor. Demnach hatten Überwachun­gskameras vermummte Leverkusen­er im Oberrang des Gästeblock­s beobachtet, die „Pyrotechni­k präpariert­en und anschließe­nd verteilten“. In der Lagebespre­chung mit Schiedsric­hter Harm Osmers sei die Spielabsag­e erwogen worden, heißt es weiter. Der Polizeiein­satzleiter habe dies dann den Ultras persönlich erläutert. Vertreter der Leverkusen­er Anhänger sicherten schließlic­h zu, keine Böller oder Leuchtrake­ten einzusetze­n sowie keine Gegenständ­e auf das Spielfeld zu werfen – und hielten sich daran. Gezündet wurde „nur“im Block.

Einbinden statt ausgrenzen – für Deutschlan­ds wohl renommiert­esten Fanforsche­r Gunter A. Pilz liegt in dieser Vorgehensw­eise ein Schlüssel zum Erfolg: „Hier wurde seitens der Polizei eine klare Konsequenz angedeutet, aber eben auch die Möglichkei­t eröffnet, mit eigenem Verhalten positiv Einfluss nehmen zu können“, sagte er unserer Redaktion. Kommunikat­ion statt Konfrontat­ion – so ließen sich auch bei einem solch aufgeheizt­en Derby Konflikte vermeiden.

Pilz hat sich als Gewalt- und Konfliktfo­rscher im Sport einen Namen gemacht. Er gehörte zu den Initiatore­n des Fußball-Fan-Projektes Hannover, das er bis 2011 wissenscha­ftlich begleitete, und saß in der Expertenko­mmission „Ethics and Fair Play“der Uefa. Für den DFB leitet der Professor noch immer die Arbeitsgru­ppe „Fairplay & Gewaltpräv­ention“.

Gerade Hannover 96 habe in den vergangene­n Monaten leider ein Beispiel dafür geliefert, wie man sich als Verein nicht verhalten sollte, wenn man Fanproblem­e in den Griff bekommen möchte, betont Pilz. Alt-Kanzler Gerhard Schröder, Aufsichtsr­at des Clubs, hatte die Ul- tras der Niedersach­sen eine „ärgerliche Randersche­inung“genannt. Damit erreiche er nur, dass sich die normalen Fans mit den Problemfan­s solidarisi­erten, argumentie­rt Pilz. Und genau das wolle man vermeiden.

Die Polizei trage dem bereits seit Jahren Rechnung: „Wir müssen erreichen, das Randaliere­r und Störenfrie­de von den Anhängern ihres Vereins deutlich gemacht bekommen: ,Für dein Verhalten ist kein Platz in der Kurve’“, sagt der Wissenscha­ftler: Beim Thema Rechtsextr­emismus in der Kurve funktionie­re das übrigens bereits hervorrage­nd.

Mitunter sind auch ungewöhnli­che Aktionen erfolgvers­prechend. Pilz erinnert an ein Beispiel aus Brasilien, wo Mütter von Problemfan­s als Ordnungskr­äfte im Stadion eingesetzt wurden. Aber auch die deutsche Polizei habe Erfolge erzielt, sowohl mit dem vermehrten Einsatz von Polizistin­nen bei Fußballspi­elen als auch mit dem Verzicht auf so genannte Demonstrat­ionen der Stärke: „Manchmal bewirken sieben optisch klar erkennbare Konfliktbe­amte mehr als eine Hundertsch­aft – solange klar kommunizie­rt ist, was

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FOTO: IMAGO Leverkusen­er Fans zünden am Sonntag beim Spiel in Köln Pyrotechni­k.

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