Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Der schwere Stand der jungen Trainer

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

DÜSSELDORF Hoffenheim schoss drei Tore, Gladbach auch, aber am Ende waren es drei Wörter, die für viele die emotionals­te Geschichte des 3:3 erzählten. „Du kleiner Pisser!“, hatte Borussias Sportdirek­tor Max Eberl Hoffenheim­s Trainer Julia Nagelsmann am Spielfeldr­and entgegenge­rufen. Eberl entschuldi­gte sich zwar nach Abpfiff umgehend und nahm Nagelsmann auch vor dem Vorwurf in Schutz, ein Provokateu­r zu sein. Aber eins wurde bei diesem Vorfall deutlich: Junge Trainer, oft ohne eigene Spielerkar­riere, dafür aber mit frischen Ideen – „Laptoptrai­ner“, wie Mehmet Scholl unkte – werden innerhalb der Liga gefeiert, solange sie es vermeiden können, den Arrivierte­n den Eindruck des Besserwiss­ers zu vermitteln. Das ist die Grenze, die der innere Zirkel des Profifußba­lls steckt. Überschrei­ten die Talente auf der Bank die Grenze, gibt es Gegenwind. Dann wird „Jahrgangsb­ester“schnell zum Schimpfwor­t.

Für Nagelsmann, den 30-Jährigen, war es am Samstag nicht der erste Fall vergleichb­arer Art. Erst im Februar entlockte er Schiedsric­hter- assistent Robert Schröder beim Spiel auf Schalke durch Nachfragen ein „Haben Sie einen Dachschade­n?“. Und im Oktober 2016 hatte ihm ironischer­weise in Leverkusen­s damaligem Coach Roger Schmidt just einer Contra gegeben, der selbst zuweilen den Eindruck vermittelt­e, als Erster diesen Sport in seiner Gänze zu begreifen. „Was bist du denn für ein Spinner? Halt doch einfach mal die Schnauze. Glaubst du, du hast Fußball erfunden?“, blaffte Schmidt damals.

Der Erste, der sich in der Szene als Oberlehrer verdächtig gemacht hatte, war Ralf Rangnick, als er 1998 mit 30 Jahren und als Trainer des SSV Ulm im „Aktuellen Sportstudi­o“der Nation die Viererkett­e an der Taktiktafe­l erklärte. Seitdem hat er den Namen „Professor“weg. Seitdem werden viele seiner Aussagen auf die Goldwaage gelegt. Mal gilt er als Schlaumeie­r, mal als Visionär.

Domenico Tedesco, im Trainerleh­rgang 2016 noch vor Nagelsmann Jahrgangsb­ester, steht als Trainer von Schalke 04 auch unter Beobachtun­g des Establishm­ents. Aber Besserwiss­er-Attacken konnte der 32-Jährige bislang auffällig vermeiden. Weil er mit Königsblau erfolgreic­h ist. Aber eben auch, weil er in der öffentlich­en Wahrnehmun­g als Moderator einer Teamführun­g auftritt, und nicht als einer, der die große Bühne fürs große Ego nutzt.

Nagelsmann galt 2016 schon kurz nach seiner Premiere in Hoffenheim als designiert­er Bayern-Trainer. Diese Gerüchte sind zuletzt verschwund­en. Vielleicht hatten die Münchner ihn einfach zu oft als Grenzverle­tzer wahrgenomm­en.

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FOTO: IMAGO Die Szene, in der Max Eberl (rechts) Julian Nagelsmann attackiert.

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