Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Fanliebe abseits der Champions League

Melanie und Norbert Karbach trommeln seit Jahren für den Handball-Drittligis­ten TSV Bayer. Das Herz von Horst Menssen schlägt für den Fußball-Kreisligis­ten TuS Hackenbroi­ch. Der Herzensclu­b gehört zur Heimat, findet das Trio.

- VON STEFAN SCHNEIDER

RHEIN-KREIS Alle zwei Wochen klingelt es sonntags um die Mittagszei­t an der Haustür von Horst Menssen – zumindest von August bis Dezember und von Februar bis Mai. Dann nämlich läuft in der Regel die Saison in der Fußball-Kreisliga A Neuss/ Grevenbroi­ch. Und wenn der TuS Germania Hackenbroi­ch auf heimischer Anlage antritt, steht Menssens Kumpel Detlef Jakoby auf der Matte. „Dann ziehen wir zusammen zum Sportplatz. Der Detlef geht schon fast genauso lange zum TuS wie ich“, erzählt Horst Menssen. Bei ihm selbst sind es bereits stolze 27 Jahre, in denen er seinem Herzensclu­b die Treue hält – egal, was für ein Wetter ist, egal in welcher Spielklass­e.

„Zum TuS zu gehen ist für mich ein Stück Heimat“, sagt der 66-Jährige. Dabei hat er eigentlich zwei Heimaten. Denn der frühere Schlosser und Lkw-Fahrer, der lange im Chempark arbeitete und jetzt im Ruhestand ist, ist gebürtig ein Nordlicht, kam 1974 aus Wittmund ins Rheinland. Und im „großen“Fußball schlägt sein Herz für den Hamburger SV.

Dorthin aber zieht es ihn nicht zuletzt wegen der großen Entfernung selten. Beim TuS dagegen lässt er möglichst kein Spiel aus. „Da sind Freundscha­ften entstanden. Meistens stehe ich mit den 6, 7 selben Leuten zusammen. Wenn da mal einer fehlt, machen sich die anderen direkt Sorgen“, erzählt der Hackenbroi­cher schmunzeln­d. Das Trüppchen hat seinen Stammplatz zwischen Eckfahne und Trainerban­k, bei Regen sucht es Schutz an der Hütte auf der Anlage. Mitunter wird Platzwart Willi Dederich vom Grillen abgehalten. Den Umgangston beschreibt Menssen als „rau, aber herzlich. Wir albern viel rum, machen Blödsinn“, beschreibt er sein Verhältnis zu „Klöckers Jupp“, „Lehmanns Paul“und den restlichen TuS-Getreuen, die mit ihm am Spielfeldr­and stehen.

Menssen weiß die persönlich­e Atmosphäre zu schätzen. Angesichts von 30 bis 50 Zuschauern, bei Lokalderby­s auch mal 150 bis 200, werde man per Handschlag begrüßt. Nicht zu vergessen die „dritte Halbzeit“: Nach dem Spiel wird im Clubheim gefachsimp­elt. Menssens Frau Gabi muss dann mitunter deutlich länger auf ihren Gatten verzichten als die 90 Minuten Spielzeit plus Hin- und Rückweg. „Wenn der TuS sonntags zu Hause spielt, fällt das Abendessen meistens aus“, sagt sie mit einem Lachen.

Bei Melanie (51) und Norbert Karbach (52) ist das anders. Das Ehepaar, das seit 28 Jahren verheirate­t ist, teilt die Liebe zum HandballDr­ittligiste­n TSV Bayer Dormagen. Die beiden besuchen nicht nur gemeinsam die Spiele, sondern rühren im 39 Mitglieder starken Fanclub Fan Power 09 auch fleißig die Trommeln. Zu den Schlaginst­rumenten kamen sie über ihren Sohn Philipp, der als Kind von den Trommeln anderer Fans fasziniert war und sich auch einen „Krachmache­r“wünschte. Seine Eltern fanden dann ebenfalls Gefallen daran, ihren Lieblingsc­lub mit diesem Hilfsmitte­l akustisch zu unterstütz­en. Im Verbund mit Gleichgesi­nnten sorgen sie für lautstarke Anfeuerung­en, um die Spieler zu beflügeln. „Dormagen ohne Handball wäre nicht Dormagen“, meint Norbert Karbach, der den Blau-Weißen schon seit Jugendzeit­en anhängt – als noch in der wenig schmeichel­haft als „Schweineha­lle“titulierte­n Dreifachtu­rnhalle gespielt wurde. Seine Frau entdeckte ihre Leidenscha­ft für den Handballsp­ort dann auch. „Mit Fußball dagegen haben wir nix am Hut“, sagen beide. Den Handball halten sie für familiärer, bodenständ­iger, den Hype um die prominente­n Kicker mit Bundesliga-Aufgeregth­eiten und Champions League brauchen sie nicht. „Auch die Beziehung zu den Spielern ist beim TSV viel enger. Die sind nicht hochnäsig, und manchmal trifft man mal den ein oder anderen im Café Lemke in der Innenstadt“, berichten die Karbachs.

Sie nehmen einiges auf sich, um ihren Verein anzufeuern. Zum Beispiel auch, der Heimat zu den Auswärtspa­rtien vorübergeh­end den Rücken zu kehren. „In einer Zweitligas­aison haben wir mal 14.000 Kilometer für den TSV abgerissen“, berichten sie lächelnd. Und Norbert Karbach legt seine Schichten bei Alu Norf so, dass ihm kein Match durch die Lappen geht: „Notfalls nehme ich Urlaub!“ Die Erscheinta­ge Drei Mal in der Woche schreiben wir über Heimat: dienstags und samstags erscheint eine Folge der Heimat-Serie in den Lokalteile­n, donnerstag­s im überregion­alen Teil der Zeitung. Das Magazin Im Anschluss an die Serie bündeln wir die besten Geschichte­n in einem Magazin. Es ist ab 22. Mai im RP Shop und im Einzelhand­el erhältlich.

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FOTO: ZAUNBRECHE­R Melanie und Norbert Karbach gehören dem TSV-Fanclub Fan Power 09 an. Sie stehen fest zu den Handballer­n – in guten wie in schlechten Zeiten.
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FOTO: ANJA TINTER Horst Menssen geht seit 27 Jahren zum TuS Hackenbroi­ch – unabhängig von Wetter und Spielklass­e.

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