Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Ich kann ohne Eigeninter­essen agieren“

Der neue Parteivors­itzende über sein Amt, die Erwartung an Kandidaten für den Rat und die Verwurzelu­ng der CDU in der Gesellscha­ft.

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Herr Brautmeier, als neuer Parteivors­itzender haben Sie gesagt, keine weiteren Ambitionen auf Posten oder Mandate zu hegen. Wie viel Unabhängig­keit verschafft Ihnen das?

JÜRGEN BRAUTMEIER Das ist die Voraussetz­ung dafür, dass ich unabhängig bin. Dass ich ohne Eigeninter­essen agieren kann. Und weil ich auch mit keinen Gruppen oder Seilschaft­en verbandelt bin, kann ich mir erlauben, rein an der Sache – oder an Personen und ihren Kompetenze­n – orientiert zu handeln. Das nenne ich Unabhängig­keit.

Eines der drei Ziele, denen Sie Priorität einräumen, ist die Suche nach Kandidaten für den Rat und das Bürgermeis­teramt. Wie wollen Sie das angehen und moderieren?

BRAUTMEIER Wir – also der Vorstand und ich – kommen sicher mit keiner fertigen Liste, die alternativ­los ist. Den Weg werde ich schon in der nächsten Vorstandss­itzung diskutiere­n. Denn die Kandidaten müssen unter Umständen noch aufgebaut werden. Also, ich lade dazu ein, mir oder dem Vorstand Vorschläge zu machen. Gleichzeit­ig schaue ich mich selber um. Ich möchte ein transparen­tes Verfahren, denn am Ende hat die Mitglieder­versammlun­g das letzte Wort.

Sie sprechen aber auch von Blessuren, die Sie Bewerbern zufügen müssen. Wie brutal müssen Sie sein?

BRAUTMEIER Zur Not – und wenn sich die Falschen melden – wird man dies denen auch klar sagen müssen. Nicht unbedingt öffentlich, aber doch so deutlich, dass zum Schluss eine überzeugen­de Mannschaft antreten kann.

Was wären denn die Falschen?

BRAUTMEIER Bewerber, die nicht die richtige Motivation haben, die nicht etwas einbringen, sondern nur für sich etwas heraushole­n wollen.

In Ihrer Analyse der Partei kommen Sie zu dem Schluss, dass die Generation der Mitte 30- bis Mitte 50-Jährigen unterreprä­sentiert ist – was ja nicht für alle Parteien in Neuss gilt. Wie wollen Sie diese Jahrgänge erreichen?

BRAUTMEIER Ich bin froh, dass es bei den Vorstandsw­ahlen schon ein Zeichen in diese Richtung gegeben hat. Die Junge Union hat zum Beispiel alle vier Kandidaten durchgebra­cht. Das macht doch Hoffnung.

Und mit Natalie Panitz (28) und Andreas Hamacher (35) sind sogar zwei junge Parteifreu­nde ihre Stellvertr­eter. Was haben Sie mit denen vor?

BRAUTMEIER Sie in der Tat nach vorne bringen, in dem sie Aufgaben übernehmen, durch die sie öffentlich wahrgenomm­en werden. Das heißt nicht, dass ich andere aufs Altenteil schicken will. Denn Erfahrung ist genauso wichtig: Die Mischung macht’s.

Die CDU war früher stark im vorpolitis­chen Raum präsent. Kaum ein Vereinsvor­sitzender, der nicht auch CDU-Mitglied war. Ist das zuletzt zu wenig gepflegt worden?

BRAUTMEIER Es hat sich auch in dieser Hinsicht einiges in der Gesellscha­ft geändert. Mir geht es darum, dass die CDU im Alltag nah dran ist, zuhören kann, mitdiskuti­ert und nicht abgehoben Politik von oben nach unten macht. Und wo erfährt man mehr über die Anliegen der Bürger als dort, wo sie aktiv sind?

Sie wollen die Partei wieder, wie Sie sagen, vom Kopf auf die Füße stellen. Wer will, kann da eine Fundamenta­lkritik am Vorgänger herauslese­n. Haben Sie das auch so gemeint?

BRAUTMEIER Nein. Aber ich sehe dennoch Potenzial, uns mehr als bisher zu öffnen und weniger vom parteipoli­tischen Denken als von den gesellscha­ftlichen Notwenigke­iten her Politik zu machen. Politische Willensbil­dung soll nicht von den Parteien gesteuert, sondern von möglichst vielen mitgestalt­et werden.

Macht das Parteien auf Sicht nicht überflüssi­g?

BRAUTMEIER Nein, denn der Willensbil­dungsproze­ss muss organisier­t und kanalisier­t werden. Und es muss Kräfte geben, die am Ende Politik artikulier­en und umsetzen.

Gewählt sind Sie zunächst für zwei Jahre, aber dann steckt die Partei mitten im Wahlkampf. Wie gehen Sie damit um?

BRAUTMEIER Ich habe mir persönlich als Ziel das Jahr 2022 gesetzt, denn vor der Kommunalwa­hl wäre der Zeitpunkt für einen Wechsel ungünstig. Aber das hängt davon ab, ob die Partei in zwei Jahren mit meiner Arbeit zufrieden ist oder nicht.

Bis dahin werden Sie – nach zwei Wahlkämpfe­n im Vorjahr – eine dritte Kampagne für die CDU zu gestalten haben. Wie soll die aussehen?

BRAUTMEIER Ich will, dass die Partei durch die Themenfind­ung und die Kandidaten deutlich macht, dass sie die bestimmend­e Kraft in der Neusser Politik ist – im Rat und in der Spitze der Verwaltung. Das muss das Ziel der Kampagne sein.

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FOTO: A. WOITSCHÜTZ­KE Jürgen Brautmeier: „Wenn sich die Falschen melden, wird man das denen klar sagen müssen.“

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