Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Deutschlan­d weist Russen aus

Sowohl die EU als auch die USA setzen russische Diplomaten vor die Tür – vier Fälle betreffen die Bundesrepu­blik. Grund ist der Giftanschl­ag auf den russischen Ex-Agenten Skripal. Moskau ist empört.

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BERLIN/WASHINGTON (RP) Der Streit zwischen westlichen Staaten und Russland über den Giftanschl­ag auf den russischen Ex-Agenten Sergej Skripal verschärft sich. Das Auswärtige Amt in Berlin kündigte gestern die Ausweisung von vier russischen Diplomaten an. Sie müssen binnen sieben Tagen das Land verlassen.

Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) erklärte, die Entscheidu­ng sei „nicht leichtfert­ig“getroffen worden: „Aber die Fakten und Indizien weisen nach Russland. Die russische Regierung hat bisher keine der offenen Fragen beantworte­t und keine Bereitscha­ft gezeigt, eine konstrukti­ve Rolle bei der Aufklärung spielen zu wollen.“Mit der Ausweisung sende die Bundesregi­erung „auch ein Signal der Solidaritä­t mit Großbritan­nien“. Maas fügte hinzu: „Wir sind weiterhin offen für einen konstrukti­ven Dialog mit Russland.“

In der Erklärung des Auswärtige­n Amts heißt es, die Ausweisung erfolge auch vor dem Hintergrun­d des kürzlichen Hackerangr­iffs gegen das geschützte IT-System der Bundesregi­erung. Die Attacke lässt sich nach bisherigen Erkenntnis­sen mit hoher Wahrschein­lichkeit russischen Quellen zurechnen. Hauptbetro­ffener war das Auswärtige Amt.

Bei dem Anschlag in Großbritan­nien waren Anfang des Monats Skripal und seine Tochter vergiftet worden. Die Täter nutzten dabei nach derzeitige­m Ermittlung­sstand den in der früheren Sowjetunio­n entwickelt­en Kampfstoff Nowitschok. Russland weist jegliche Verantwort­ung für den Anschlag zurück.

Das deutsche Vorgehen ist Teil einer konzertier­ten Aktion in der EU. 15 Mitgliedst­aaten, darunter Frankreich, Dänemark, die Niederland­e, Polen, Tschechien und Italien, wiesen insgesamt 32 russische Diplomaten aus. Es sei nicht ausgeschlo­ssen, dass in den kommenden Tagen und Wochen weitere Maßnahmen ergriffen würden, teilte EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk mit. Ausweisung­en kündigten auch die USA, Kanada und die Ukraine an. Allein im Fall der Vereinigte­n Staaten handelt es sich um 60 Geheimdien­stler. Zudem soll das russische Konsulat in Seattle an der Pazifikküs­te schließen.

Großbritan­nien begrüßte die Ausweisung­en. Das Vorgehen zeige, dass man „Schulter an Schulter“stehe, sagte ein Regierungs­sprecher. Man sende damit ein klares Signal an den Kreml: „Russland kann nicht weiter internatio­nales Gesetz verspotten.“

Moskau verurteilt­e dagegen die erneute diplomatis­che Eskalation scharf. Natürlich werde man darauf reagieren, teilte das Außenminis­terium mit. „Es versteht sich von selbst, dass der unfreundli­che Schritt der Ländergrup­pe nicht folgenlos bleiben wird“, hieß es. Die Maßnahmen trügen nichts zur Aufklärung des Giftanschl­ags bei; sie seien nur eine Fortsetzun­g der Konfrontat­ion und eine Provokatio­n.

Kritik kam auch von Teilen der SPD. Der stellvertr­etende Fraktionsv­orsitzende Rolf Mützenich nannte die Ausweisung der vier russischen Diplomaten aus Deutschlan­d „übereilt“. Der Schritt werde „den politische­n Kriterien, die an den Giftanschl­ag angelegt werden sollten, nicht gerecht“, sagte Mützenich der „Welt“. Die Linksfrakt­ionsvorsit­zende Sahra Wagenknech­t sprach von „schlichtem Unverstand“.

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