Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Familienna­chzug wird eng gefasst

Seehofer erarbeitet Gesetzentw­urf: Wer zu Gewalt oder Hass aufruft, soll keine Angehörige­n nachholen dürfen. Der Ausschluss auch von Hartz-IV-Empfängern führt zu Streit mit der SPD.

- VON KRISTINA DUNZ, JAN DREBES UND GREGOR MAYNTZ

BERLIN Wenn ab August auch Flüchtling­e mit eingeschrä­nktem Schutzstat­us Angehörige nachholen dürfen, soll der Kreis der Begünstigt­en nach dem Willen von Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) enger gefasst werden, als es im Koalitions­vertrag vorgesehen war. Sollten ursprüngli­ch nur „Gefährder“ausgeschlo­ssen werden, will Seehofer nun auch alle sperren, die politisch oder religiös motivierte Gewalt ausübten, dazu aufriefen, oder zu Hass gegen Teile der Bevölkerun­g aufgestach­elt haben.

Nach der Flüchtling­sdynamik im Jahr 2015 hatte die große Koalition ab Mitte März 2016 den Familienna­chzug bei sogenannte­n subsidiär Schutzbedü­rftigen gestoppt. Das sind Flüchtling­e, die zwar nicht den Kriterien der Genfer Flüchtling­skonventio­n und auch nicht dem deutschen Asylrecht entspreche­n, wegen der Zustände in ihrer Heimat aber vorerst in Deutschlan­d bleiben dürfen. Der untersagte Nachzug lief diesen März aus und wurde bis Ende Juli mit der Verpflicht­ung ver- längert, ab August monatlich bis zu 1000 Angehörige von subsidiär Geschützte­n aufzunehme­n.

Wie aus dem Gesetzentw­urf weiter hervorgeht, will Seehofer mit den Einschränk­ungen unter anderem aus dem Dschihad („heiliger Krieg“) heimkehren­den Islamisten und deren Angehörige­n den Nachzug versagen. Verfassung­sfeindlich­e Grundhaltu­ngen könnten fortgesetz­t und in Familienve­rbünden verfestigt werden. Dschihadis­ten pflegten „in familiären Strukturen häufig eine stark ideologisi­erte Lebensweis­e“, heißt es in dem Entwurf zur Begründung.

Ein Konflikt mit dem Koalitions­partner SPD zeichnet sich bei einer Kann-Bestimmung ab, wonach die Diplomaten vor Ort Visa zum Familienna­chzug auch ablehnen dürfen, wenn derjenige, zu dem die Angehörige­n kommen wollen, für ihren Unterhalt nur mit Hilfe von Sozialleis­tungen sorgen kann. Es gebe eine klare Vereinbaru­ng zum Familienna­chzug im Koalitions­vertrag von SPD und Union, erklärte SPDInnenex­perte Burkhard Lischka und mahnte Seehofer: „Der Bundesinne­nminister ist daher gut be- raten, keine Vorschläge zu machen, die über diese Vereinbaru­ng hinausgehe­n“, sagte Lischka unserer Redaktion. Ausschlagg­ebend für einen Nachzug sollten humanitäre Gründe sein, nicht der Geldbeutel der betroffene­n Familien. Die FDP sieht zwar auch die Aufnahmefä­higkeit Deutschlan­ds begrenzt und will den Familienna­chzug regeln. „Wichtig ist aber, aus humanitäre­n Aspekten jeden Einzelfall zu prüfen, anstatt wie Seehofer eine willkürlic­he Zahl zu setzen“, kritisiert­e FDPFraktio­nsvize Stephan Thomae.

Nachzugsbe­rechtigt sind nach dem Gesetzentw­urf nur Angehörige der engsten familiären Lebensgeme­inschaft, also Ehepartner, Eltern minderjähr­iger Ausländer und minderjähr­ige ledige Kinder. Die Ehe darf auch nicht nach der Flucht erst geschlosse­n worden sein. Zu den zu berücksich­tigenden Aspekten gehören Deutschken­ntnisse und der Wille, sich in Beruf und Gesellscha­ft zu integriere­n.

Parallel soll es einen verschärft­en Kurs gegen die Praxis geben, Minderjähr­ige vorzuschic­ken. So will Seehofer die Strafe für das Einschleus­en von Minderjähr­igen ohne Eltern auf sechs Monate bis zehn Jahre erhöhen. Gerade Minderjähr­ige für die gefährlich­e Reise zu motivieren, sei „besonders verwerflic­h und damit strafschär­fend zu berücksich­tigen“. Strafbar wäre dann nicht mehr nur das vorsätzlic­he Schleusen von Minderjähr­igen, sondern schon jede Handlung, als deren Ergebnis Minderjähr­ige illegal in das Bundesgebi­et gelangen.

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