Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Kardinäle streiten um Kommunion für Protestant­en

Sieben deutsche Bischöfe haben in einem Brief nach Rom den Beschluss der Bischofsko­nferenz infrage gestellt. Auch Laien sind von dem Alleingang einer Minderheit enttäuscht.

- VON LOTHAR SCHRÖDER

DÜSSELDORF/BONN Eklat unter den deutschen Bischöfen: In einem dreiseitig­en Brief an den Vatikan bitten sieben Bischöfe um Klärung in einer strittigen Frage – ob nämlich evangelisc­he Christen, die mit einem katholisch­en Partner verheirate­t sind, die Kommunion empfangen dürfen. Zu den Unterzeich­nern gehören nach Informatio­nen des „Kölner Stadt-Anzeigers“der Kölner Erzbischof Rainer Kardinal Woelki, der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick sowie die Bischöfe Rudolf Voderholze­r aus Regensburg und Stefan Oster, Passau. Meinungsve­rschiedenh­eiten in theologisc­hen Fragen sind keine Seltenheit und noch lange kein Zer- würfnis. In diesem Fall aber ist das Vorgehen der sieben Bischöfe bedenkensw­ert. So hatte die Bischofsko­nferenz am 20. Februar in Fulda „eine pastorale Handreichu­ng“für konfession­sverschied­ene Paare beraten und mit einer Zwei-DrittelMeh­rheit auch verabschie­det. Allerdings mit dem Vermerk, dass in dieses bis heute unveröffen­tlichte Dokument noch „Einarbeitu­ngen“vorgenomme­n werden können.

Worum es nicht geht: um die Kommunion für alle Protestant­en. Vielmehr entzündet sich der Streit an möglichen Notlagen in konfession­sverschied­enen Ehen – wenn nämlich die gemeinsame Kommunion derart wichtig und drängend ist, dass ein Ausschluss vom Abendmahl die Ehe gefährdet, kann auch der evangelisc­he Ehepartner die Hostie empfangen –, aber nur dann, wenn er den katholisch­en Eucharisti­eglauben bejaht. Bei diesen Ausnahmere­gelungen berufen sich die deutschen Bischöfe auch auf das bestehende Kirchenrec­ht.

Dennoch kam es auf der Vollversam­mlung im Februar zu intensiven Debatten. Man habe sich „die Entscheidu­ng nicht leicht gemacht“, heißt es. Solche Redewendun­gen geben eine Ahnung davon, dass es bei den Beratungen hoch hergegange­n sein könnte.

Der Brief ist nicht nur eine Reaktion darauf. Er dokumentie­rt eine tiefe Meinungskl­uft innerhalb der Konferenz. Denn das Schreiben richtet sich nicht nur gegen das Mehrheitsv­otum des deutschen Episkopats. Es ging ohne Kenntnis des Vorsitzend­en der Bischofsko­nferenz, Reinhard Kardinal Marx, nach Rom, genauer: an den Präsidente­n des Päpstliche­n Rats für die Einheit der Christen. Der „Brandbrief“an Kurt Kardinal Koch ist vom 22. März, Marx erreicht das Schreiben erst sechs Tage später.

Nachdem der ominöse Briefverke­hr gestern bekannt wurde, veröffentl­ichte Marx sein Antwortsch­reiben. Selbst sein diplomatis­cher Ton verrät, wie groß der Ärger des Münchner Erzbischof­s über diesen Vorgang ist. Schließlic­h ist es ein Schreiben, das „trotz der ausführlic­hen und auch kontrovers­en Aussprache in der Vollversam­mlung und des mit weit überwiegen­der Mehrheit der Mitglieder der Bischofsko­nferenz gefassten Beschlusse­s“auf den Weg gebracht wurde.

Über die Zuständigk­eit in dieser Frage lässt Marx keine Zweifel: „Selbstvers­tändlich ist es einer nationalen Bischofsko­nferenz möglich, Kriterien zu formuliere­n, die die Kommunion-Spendung an nicht in voller Gemeinscha­ft mit der katholisch­en Kirche befindlich­en Christen erlauben“, heißt es in seiner Antwort. Außerdem greife man damit die „Ermutigung von Papst Franziskus zu weiteren Schritten in der Ökumene“auf. In diesem Sinne soll die Handreichu­ng für Seelsor- ger und betroffene Eheleute künftig für eine größere Klarheit sorgen.

Die aber gebe es doch längst, erklärte Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkom­itees der deutschen Katholiken: „Ich bin über den Brief der sieben Bischöfe verwundert, auch enttäuscht, zumal es sich bei dem Streit um eine Frage handelt, die pastoral längst geklärt ist: Die konfession­sverschied­enen Paare, die wirklich sehr ernsthaft die Eucharisti­e gemeinsam feiern wollen, haben darüber mit ihren Pfarrern vor Ort eine Einigung erzielt“– auf gute pastorale Weise.

In dem Entwurf der Handreichu­ng sehen vor allem Laien einen wichtigen, wenn auch kleinen Fortschrit­t in der Ökumene. Dementspre­chend forscher reagierte gestern Christian Weisner, Sprecher der Kirchen-VolksBeweg­ung „Wir sind Kirche“, auf den Streit der Bischöfe. Er „appelliert an die große Mehrheit der deutschen Bischöfe und an das Kirchenvol­k, sich durch die Blockadeve­rsuche einiger Bischöfe nicht beirren zu lassen“.

Stilvoller ist Kardinal Marx. Sein Antwortbri­ef endet mit „Oremus pro invicem“– beten wir füreinande­r.

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